Essen. . Nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts NRW kassiert die Stadt Essen ihren Verbots-Hinweis wieder ein. Nikotinhaltige Liquids unterliegen weder dem Arzneimittelgesetz noch dem Medizinproduktegesetz, heißt es, und sie sind damit frei verkäuflich.

Es war ein vorsorglicher Schuss ins Blaue, aber ein echter Knaller: Als das örtliche Gesundheitsamt die Essener E-Zigarettenhändler am 27. Januar dieses Jahres überraschend aufforderte, den Verkauf nikotinhaltiger Liquids mit Verweis auf einen entsprechenden Erlass aus dem Gesundheitsministerium einzustellen, rieb sich die Republik verwundert die Augen. Durch eine Dienstanweisung des Landes sah sich die Kommune nach eigener Aussage zum Handeln gezwungen und veröffentlichte eine Erklärung sogar mit Strafandrohung auf rechtlich reichlich brüchigem Untergrund.

Wie dünn das juristische Eis tatsächlich war, auf dem man sich bewegte, zeigte sich gestern in bemerkenswerter Deutlichkeit: Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat der Gesundheitsministerin höchstrichterlich Warnungen vor E-Zigaretten untersagt. Nikotinhaltige Liquids unterliegen weder dem Arzneimittelgesetz noch dem Medizinproduktegesetz, heißt es, und sie sind damit frei verkäuflich.

Rechtswidrige Aussagen

Die Aussagen der Ministerin, die sowohl in ihrem Erlass als auch in einer entsprechenden „Pressemitteilung“ aus Düsseldorf „wie ein Verbot wirkten“, sind nach Einschätzung der Münsteraner Richter schlicht „rechtswidrig“. Damit entbehrt auch die Essener „Pressemitteilung“, mit der man einzig und allein auf die Erlasslage habe hinweisen wollen, jedweder Grundlage.

Schnellstmögliche Verpuffung war deshalb gestern angesagt: Der „Verkaufsverbots-Appell“ werde aus dem Internet-Auftritt der Stadt verschwinden, kündigte Gesundheitsdezernent Peter Renzel an. So, als wäre gar nichts gewesen – außer vielleicht einer großen Luftnummer.

Diskussion um nikotinhaltige E-Zigaretten

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    Denn die vier Liquid-Händler oder Inhaber von E-Zigaretten-Shops, auf die die Stadt Hinweise bekommen hat, wurden bis heute nicht angeschrieben, um den Nebel über der Frage zu lichten, ob sie denn mit angeblich verbotenen Substanzen handeln oder nicht. Von ordnungsrechtlichen Maßnahmen waren die Vollstrecker im Rathaus mithin Monate entfernt.

    OVG-Beschluss könnte Schadenersatzforderungen nach sich ziehen

    Was zeigt: Vorstöße gegen Verstöße waren in Essen nie ernsthaft geplant, man wollte sich, so betonte Renzel gestern noch einmal, mit dem Hinweis auf das Verkaufsverbot schlicht auf die rechtlich sichere Seite bringen.

    Ob das tatsächlich gelungen ist, muss sich noch zeigen: Der OVG-Beschluss könnte durchaus Schadenersatzforderungen nach sich ziehen. Nach dem Verbot sind die Umsätze der Händler in NRW unterm Strich um bis zu 50 Prozent zurückgegangen, sagt Philip Drögemöller, Sprecher des Verbands des E-Zigarettenhandels e.V.: „Es sollte jeder Händler nach Rücksprache mit einem Anwalt entscheiden, ob die einstweilige Anordnung tauglich ist, um vor Gericht zu ziehen.“

    Dass solche Vorstöße von Erfolg gekrönt sind, glaubt Peter Renzel nach Rücksprache mit seinen Rechtsexperten nicht: „Ich habe auf Grundlage des Erlasses richtig gehandelt“, ist der Gesundheitsdezernent nach wie vor überzeugt. Derweil wird nach NRZ-Informationen seit gestern in Düsseldorf an einem neuen Erlass gebastelt, der den alten korrigiert und den Nebel endgültig lichtet: Das Verkaufsverbot ist gescheitert und der Dampf raus aus der Diskussion. Paff.