Essen. Trotz aller Automatisierung: Das Briefzentrum der Deutschen Post in Essen-Vogelheim kommt bei drei Millionen Sendungen täglich ohne Handarbeit nicht aus. 68 Meter lang, 78 Meter breit, 10 Meter hoch: Das ist seit nunmehr 15 Jahren Essens größter Briefkasten, in dem 420 Mitarbeiter dafür sorgen, dass die Post abgeht und ankommt.
Wenn die zwei gerade nicht alle Hände voll zu tun hätten – an diesem Arbeitsplatz könnten Shakir Kurubas und Alexandra Kokoff an Abenden wie diesem glatt philosophisch werden: Panta rhei, alles fließt – an ihnen vorbei.
Der unaufhörliche Mahlstrom weißer, grauer, beigefarbener und manchmal auch knallbunter Rechtecke, die der Transportschacht da auf ihr Fließband spuckt, mündet dabei schon an der nächsten Biegung in ein postalisches Tohuwabohu. Wenn sie die großen Formate nicht schnell genug aufs andere Band pfeffern, wo ein grobmaschiges Netz die ärgsten Fehlwürfe abfängt, dann türmt sich der nachquellende Brief-Wust an den seitlichen Wänden auf, schwappt manchmal sogar drüber, so dass die Briefe auf den Hallenboden hinter die Maschine fallen.
"Ein bisschen Schwund ist immer"
Ein bisschen Schwund ist halt immer, um den kann man sich jetzt nicht kümmern, denn das Fließband, es läuft und läuft und läuft. Ein schriftlicher Kommunikations-Schwall in siebenstelliger Größenordnung, den sie hier Abend für Abend in geordnete Bahnen lenken: willkommen im Briefzentrum.
Sie haben Post
168 Meter lang, 78 Meter breit, 10 Meter hoch: Das ist seit nunmehr 15 Jahren Essens größter Briefkasten, in dem 420 Mitarbeiter, eine 2,5 Kilometer lange Förderanlage und alles in allem 24 Aufstell- und Sortier-, Videocodier- und Gangfolge-Maschinen samt teilautomatisierter Briefordnerei dafür sorgen, dass die Post abgeht und ankommt, wo und wann sie soll. Und bevor der Pressesprecher mit sorgenvoller Miene diese Zeilen überfliegt, sei schon an dieser Stelle verraten: Ja, sie werden sich nach den herabgefallenen Briefen hinter der Transportbahn bücken, werden die Sendungen aus den Zwischenräumen fischen, unter die Fließbänder kraxeln und auch den letzten Umschlag auf seine vorbestimmte Reise schicken. Irgendwann später, wenn Zeit ist.
Menschen aus Fleisch und Blut
Menschen aus Fleisch und Blut werden dies tun, und für die gibt es (man muss einräumen: zum Teil nach Intervention der Gewerkschaft) bei aller Automatisierung in der XL-Brieffabrik weit mehr zu tun, als mancher sich das vielleicht vorstellen mag – vor allem an den vordersten Schnittstellen des Postversands, denn je weiter die Sortierung voranschreitet, desto besser kommen Maschinen mit der Verarbeitung klar.
Maschinen wie dieses STUD da vorne, das „Siemens Tray Unloading Device“, wie die schnell herbeigezauberte Abkürzungsliste verrät, eine Entladungs-Apparatur für die ginstergelben Post-Plastikwannen mit den Großbriefen also, aber was hilft einem die ganze Sortier- und Erkennungstechnik, die sogar Omas zittrige Handschrift erkennt, wenn andere Pannen des Alltags die Automatik unterbrechen?
Damen helfen der Technik auf die Sprünge
„Eine krakelige Handschrift ist gar nicht mal das Problem“, sagt jedenfalls Wolfgang Severin, der als Sachgebietsleiter den Betrieb des Briefzentrums unter seinen Fittichen hat, aber wehe, jemand hat die Computerschrift Script für den Adressaufkleber benutzt, dann müssen sie noch mal händisch nacharbeiten. Korrigieren, was die Maschine nicht rafft: In einem eigens schallgedämmten Raum sitzen die Damen an der Integrierten Lese- und Videocodiermaschine und helfen der Technik auf die Sprünge, indem sie etwa Postleitzahlen mit einem rosafarbenen Code „nachreichen“.
Insgesamt liegt der per Hand nachzuarbeitende Anteil an den Briefsendungen bei offiziell acht Prozent, eine Zahl, die es richtig einzuordnen gilt, denn bei etwas mehr als der Hälfte der Sendungen handelt es sich schließlich um Infopost, die auf dem Datenwege vielleicht im Spam-Ordner landen würde. Briefe von Privat an Privat machen heutzutage nur noch etwa sechs Prozent der Sendungen aus.
94 Prozent Trefferquote
Aber egal, was da auf den Weg geschickt wird, der Brief an Onkel Heinz oder die palettierte Großeinlieferung von 50.000 Briefen aufwärts – schnell muss es gehen, dafür haben sie diesen Automatisierungsgrad von 92 Prozent angepeilt, und wenn auch keine echte Hektik in der gigantischen Halle an der Daniel-Eckhardt-Straße in Vogelheim aufkommt. Unter dem permanenten Geräuschpegel rasselnder Bandrollen und auf Hochtouren arbeitender Großbrief- und Gangfolge-Sortiermaschinen, an den elf Post-„Bahnhöfen“ in der Halle und an der Kommissionierung herrscht permanente und mit fortschreitender Abendzeit wachsende Geschäftigkeit: Die Deutsche Post will ihr Versprechen, den weit überwiegenden Teil der Briefe am Tag nach der Einlieferung beim Empfänger abzuliefern, halten – auch wenn manchem PC-Nutzer in Zeiten der digitalen Kommunikation schon wie übertriebener Eifer erscheinen mag.
Die Trefferquote liegt, immerhin, bei 94 Prozent, wobei im Vogelheimer Briefzentrum die Sendungen in die 45-er Postleitzahl-Region um Mitternacht raus müssen, innerstädtisch kann man sich sogar noch ein paar Stunden länger Zeit lassen.
Alles fließt eben, bis irgendwann die nächste Schicht kommt. Und wenn sie wollten, könnten sie da hinten bei den gestapelten Boxen schon mal nachschauen, weil sie wisse: der eine unter drei Millionen Briefen, die sie heute Nacht auf die Reise schicken: Der ist für mich.
11 Milliarden Briefe
Das Briefzentrum in Vogelheim bearbeitet derzeit drei Millionen Briefsendungen täglich – seit dem Bau 1997 waren es mehr als elf Milliarden. Nur jeder fünfte Brief,also 20 Prozent, werden über die geleerten Briefkästen angeliefert. Jeweils 40 Prozent machen abgegebene Sendungen in Postfilialen /Agenturen und in der Großannahme aus. Von der in Essen sortierten Post geht ein Löwenanteil von 74 Prozent in den Fernverkehr zu anderen Postleitzahlregionen in Deutschland, jeder vierte Brief, also 25 Prozent, bleibt in der Postleitzahl-Region 45..., nur ein Prozent der Sendungen wandert über Frankfurt ins Ausland. Zur Briefniederlassung Essen zählen 13 Städte des Ruhrgebiets, darunter neben Essen auch Mülheim, Gelsenkirchen, Hattingen und Recklinghausen, mit rund 1,7 Millionen Einwohnern in 874.600 Haushalten. Das betreute Gebiet von 1.063 Quadratkilometern Fläche ist in 786 Zustellbezirke aufgeteilt, von denen 609 mit dem Fahrrad, 89 zu Fuß und 88 mit dem Auto bedient werden. Insgesamt zählt die Post im Bereich der Briefniederlassung 2.937 Mitarbeiter aus 22 Nationalitäten, darunter 2207 Zusteller/Fahrer und 97 Auszubildende.
300.000 Briefe am Tag
Rund 300 Boten der Deutschen Post stellen täglich über 300.000 Briefe, weitere 80 Paketboten mehr als 16.000 Pakete in Essen zu. Es gibt dafür eine DHL Zustellbasis an der Graf-Beust-Allee nördlich der City sowie 20 Briefzustell-Stütz- und -übergabepunkte. In Essen gibt es rund 50 Filialen und 60 Verkaufspunkte, 19 Packstationen und 14 Paketboxen.