Essen.. Mit Hilfe von Wirtschaftsförderung und der „Interessengemeinschaft Essener Wirtschaft“ (IEW) als Geldgeber will die Stadt mit „Strategie 2030“ einen Neuanfang versuchen. In dem Prozess zur Selbstfindung, der vom Beratungsunternehmen Roland Berger moderiert wird, sollen Bürger die Hauptrolle spielen.

„Grau, aber immerhin“ - der legendäre Essen-Spruch von Werbe- und Marketingpapst Vilim Vasata trifft recht gut die ironiegeladene Skepsis, mit der viele Essener ihre eigene Stadt betrachten. Auch Oberbürgermeister Reinhard Paß umtreiben seit längerem die schwächlich ausgeprägte Stadtidentität und Essens unklares Bild nach außen. Mit Hilfe der Essener Wirtschaftsförderung und der „Interessengemeinschaft Essener Wirtschaft“ (IEW) als Geldgeber will die Stadt nun unter dem Label „Strategie 2030“ einen grundlegenden Neuanfang versuchen. Das Beratungsunternehmen Roland Berger hat jetzt für 800 000 Euro den Auftrag erhalten, einen Prozess zur Selbstfindung zu moderieren, in dem die Bürger ausdrücklich die Hauptrolle spielen sollen.

Eine Befürchtung versuchte der verantwortliche Roland Berger-Partner Björn Bloching am Donnerstag sofort zu zerstreuen: „Es wird nicht das übliche Gutachten, das dann in der Schublade verschwindet.“ Nicht Beraten in „Top-down“-Manier von oben nach unten sei hier gefragt und auch keine Vorab-Schlaumeiereien. „Berater, mach mal!“ - darum gehe es nicht, betont der Architekt Axel Koschany, der namens der IEW das Projekt vorstellte. Ohne fertige Antworten, dafür mit vielen Fragen will Bloching in den Prozess gehen. Das bedeutet allerdings auch, dass gestern notwendigerweise noch vieles in luftigen Höhen blieb.

„Jeder weiß, wofür Freiburg steht oder Hamburg“

Fingerzeige, wohin die Reise gehen könnte, lieferte Björn Bloching dann doch: Er attestierte Essen zuviel Mittelmaß, zu wenig Mut zu Ecken und Kanten, zu wenig Mut zu Konsequenz oder dazu, Dinge auch mal gegen den Strich zu bürsten. „In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod.“ Und dass die Stadt „in der Tat auch ein Bauproblem hat“, ist dem Volkswirt auch schon aufgefallen.

Der OB würde es schon als großen Erfolg des offenen Debattenprozesses sehen, wenn die Bürger mehr Vertrauen in Veränderungen bekämen. Axel Koschany will gar „die Stadt aus ihren gepflegten Komfortzonen herausholen“, denn nur so sei Weiterentwicklung möglich. Und noch etwas war für die Geldgeber wichtig, ja sogar eine Bedingung: „Dass dieses Projekt von allen Parteien getragen wird.“ Bis 2030 gäbe es andernfalls noch reichlich Gelegenheit, Sand ins Getriebe zu streuen.