Essen. Hochsitz statt Strand, Wildhege statt Reitunterricht: Anna Junkers (17) hat das grüne Abitur - so wie immer mehr Mädchen. Für sie stand fest: Sie macht den Jagdschein. Mit 15 Jahren hat sie sich angemeldet, mit 16 bestanden.
Während andere Mädchen aus ihrer Klasse zum Reitunterricht gehen, sitzt Anna Junkers am liebsten auf dem Hochsitz. Schon als Kind hat sie ihren Opa und Vater in den Wald begleitet. „Jagen gehört bei unserer Familie zur Tradition“, sagt die 17-Jährige.
Für sie stand fest: Sie macht den Jagdschein. Mit 15 Jahren hat sie sich angemeldet, mit 16 bestanden. Jetzt jagt auch Anna. Bis sie volljährig ist, begleitet sie immer ein Erwachsener. Meistens ist ihr Vater dabei.
Er sitzt auch damals neben seiner Tochter, als sie zum ersten Mal bei der Jagd anlegt. „Ich habe den Rehbock auf dem Weg zum Hochsitz gesehen“, sagt Anna. Dann springt der Bock ab. Anna ist aufgeregt, zittert am ganzen Körper. Immer wieder hebt sie das Gewehr zum Fenster, senkt es. Soll ich schießen, fragt sie sich selbst ständig. Es ist fast dunkel, als ihr Vater hinabsteigen will.
"Ich habe geheult und konnte nicht sprechen"
Da gibt sich Anna aber einen Ruck. Nach anderthalb Stunden. „Mein Herz schlug plötzlich langsamer und ich war ruhig“, erinnert sie sich. Sie ist sich sicher, jetzt passt es. Anna zielt, schießt und trifft. Ihren ersten Bock.
Sie braucht 20 Minuten, bis sie wieder laufen kann. „Ich habe geheult und konnte nicht sprechen“, sagt sie. Doch das Jagdfieber hat sie erwischt, sie nennt es Faszination. Bei der sie nie den Respekt vor dem Tier vergesse, das als Zeichen Laub in den Äser (Mund beim Reh) bekommt.
Anna steigt die Leiter hinab, nimmt das Messer, bricht den Bock auf, um die Innereien herauszuholen. Nein, sie habe sich nicht überwinden müssen: „Dabei habe ich von klein auf geholfen.“ Rehwild schmecke übrigens am leckersten. Die Kanadagans, die sie kürzlich an der Ruhr in Kettwig geschossen hat, liegt noch in der Tiefkühltruhe. Auch einen Fasan hat sie bereits erlegt. Auf Wildschweine hat sie zumindest angesessen, bisher ohne Weidmannsglück. „Eins ist mit Vollgas an mir vorbeigerannt.“
„Wie kannst du nur...“
Dass Anna Jägerin ist, erzählt sie allerdings nicht ständig. Auch nicht jedem, denn nicht jeder versteht das. Ein Mädchen habe sich sogar von ihr abgewandt, mit der Frage: „Wie kannst Du nur auf arme Tiere schießen?“. Damit habe sie nie gehadert, sagt Anna. Stattdessen erklärt sie, dass Jagen viel mehr als Schießen sei. Bei der Hege legt sie Wildäcker an, pflanzt Gräser für Hase oder Fasan. Sie füttert im Winter Wildtiere, kontrolliert Hochsitze. Mit ihrem Vater fährt sie Reviere ab. Manchmal nimmt sie Freunde mit, die sich dafür interessieren. Bei den jungen Jägern hat Anna inzwischen auch neue Freundschaften geknüpft. Jagen sei längst nicht mehr nur was für ältere Männer.
Um den Jagdschein zu bestehen, hat Anna richtig gebüffelt. Das gab sogar Ärger mit ihren Eltern, erzählt sie lachend. „Andere lernen für die Schule“, hätten die gesagt. Sie paukte begeistert Jagdgesetze und Fleischhygiene. Ihr Abi will die Goethe-Schülerin natürlich packen. Ihre Ferien hat sie bis dahin längst verplant: „Ich bin sehr zufrieden, wenn ich auf dem Hochsitz meine Ruhe habe.“ Den würde sie nicht gegen den Strand in Spanien tauschen. Anna spielt aber auch gern Tennis und bildet ihren Vierbeiner aus: eine Jagdhündin. Die soll später bei der Jagd Wild aufstöbern und apportieren. Ihren Vater kann Anna ab März zu Hause lassen. Dann wird sie 18. Und im Mai beginnt die Bockjagd.