Essen. . Baudezernentin Simone Raskob flüchtet sich am Rosenmontag zur EU nach Brüssel, Oberbrügermeister Paß mag sich seit seiner Kindheit nicht gern verkleiden und Kämmerer Lars-Martin Klieve liebt den Sitzungskarneval: Wir haben uns umgehört, wie jeck das Essener Rathaus ist.
Nein, Essen ist nicht der närrische Nabel der Welt - so viel steht fest, wenn man an Weiberfastnacht nachmittags verkleidet die Rü entlang läuft und sich ob der abschätzigen Blicke trist grauer Passanten tatsächlich wie ein Narr fühlt. Erst in Richtung Eigelstein säumen vereinzelt Teufelchen, Engel und Cowboys den Weg. Erste zarte Klänge so wunderbar debil-eingängiger Klassiker wie „Dicke Mädchen haben schöne Namen“ dringen ans Ohr. Schunkeln im Irish Pub, Polonaise durchs Solid. Doch, auch Essen kann jeck.
Selbst die Stadtoberhäupter können sich der fünften Jahreszeit nicht ganz verschließen, wie der Sturm aufs Rathaus zeigte. So freut sich Sozialdezernent Peter Renzel schon auf den Rosenmontag, an dem er traditionell mit Freunden den Kupferdreher Karnevalsumzug besucht. Ohne Verkleidung allerdings, so tief reicht der Frohsinns-Virus bei ihm dann doch nicht.
Ganz ähnlich geht es dem neuen Personaldezernenten Christian Kromberg, dessen siebenjähriger Sohn Simon in der fünften Jahreszeit das Regiment übernommen hat. Der Spross hat für jeden Tag ein anderes Kostüm, schleift seine Eltern am Samstag mit zu den Kölner Veedelszügen am Sonntag nach Werden und am Montag nach Rüttenscheid. „Ich bin da aber eher Voyeur und schaue mir das alles unverkleidet an“, sagt Kromberg.
Sturm auf das Rathaus
„Ohne Verkleidung geht gar nicht“
Der größte Karnevalsmuffel lässt sich im Baudezernat ausfindig machen: Simone Raskob ist zwar ein sehr fröhlicher Mensch, wie sie betont. Frohsinn auf Knopfdruck sei aber nicht so ihr Ding. Deswegen ist sie auch ganz froh, dass sie dem Trubel am Rosenmontag im Thalys nach Brüssel entfliehen kann. Dort trifft sie sich mit Amtskollegen aus dem Ruhrgebiet in Sachen grüne Hauptstadt mit Karl Friedrich Falkenberg, dem Umwelt-Generaldirektor der EU. Vielleicht kein allzu schlechtes Karnevals-Exil - viel zu lachen gibt es in Brüssel zurzeit ja nicht. Wenngleich sich Griechenland hervorragend als Steilvorlage für Büttenreden im Sitzungskarneval nutzen lässt.
Eben jenen besucht Kämmerer Lars-Martin Klieve gerne, war vor Kurzem im Kölner Gürzenich und gestern noch in der Grugahalle. „Essen hat einen sehr persönlichen und liebevollen Karneval“, sagt Klieve, der Ehrensenator des Essener Karnevalsvereins ist. Neben seiner Lebensgefährtin Andrea Päffgen, die als Kölnerin seit Geburt das Karnevalsgen in sich trägt, habe ihn vor allem seine Zeit als Beigeordneter im niederrheinischen Hürth geprägt, sagt Klieve. „Ohne Verkleidung geht gar nicht“. Was genau er in diesem Jahr darstellt, weiß er dabei nicht genau. „Irgendetwas historisches“, meint Klieve, der am Rosenmontag auf der Tribüne Platz nehmen darf.
Vom Wagen der GKG Fidelitas aus wird der „Oberjeck des Rathauses“, wie er sich selbst nennt, das Treiben dann beobachten. Oberbürgermeister Reinhard Paß ist vor allem durch sein Amt richtig jeck geworden, immerhin ist er Ehrensenator in mehreren Karnevalsvereinen. Mit Kostümen hat er aber so seine Schwierigkeiten. „Ich habe mich schon als Kind nie gerne verkleidet“, verrät Paß und ergänz: „Vielleicht ist es mir einfach zuwider, nicht mein wahres Gesicht zu zeigen.“ Sein Job ist für sich allein ja auch schon Rolle genug. Helau!