Essen. Eine ungestempelte Rote Mauritius, ein Juwel der Philatelie, wird am 8. Mai am Rande der Briefmarken-Weltausstellung IBRA im noblen Schlosshotel Hugenpoet versteigert.
Die Dame ist alt, ziemlich aufgetakelt, heftig geliftet - und viele Männer, so auch der Autor dieses Beitrags, sind dem Charme dieser „Lady in Red” verfallen. Aber ach, sie schaut nur nach den gut betuchten Herrschaften.
Man muss gar kein Briefmarkensammler sein, man muss nicht einmal das geringste Interesse an Postwertzeichen haben - die Blaue und Rote Mauritius sind ein Zwillingspärchen, von dem jeder schon einmal gehört hat, mit dem man Begriffe wie „selten” und „teuer” verbindet. Völlig zu Recht; zwölf blaue gibt heute es noch, und 15 orangerote, von denen neun in Privatbesitz sind. Und von dieser roten 1-Penny-Marke mit dem Bildnis von Königin Victoria existieren nur zwei ungestempelte Exemplare - eines kommt am 8. Mai um 19 Uhr auf Hugenpoet unter den Hammer.
Jede „Mauritius” hat ihre besondere Geschichte, so auch diese. Ihr letzter Liebhaber beispielsweise war ein Spielautomaten-Hersteller. Der deutsche Briefmarkenhändler Wilhelm Bartels hatte die Briefmarke vor etwa 40 Jahren vom belgischen Sammler Rene Berlingin auf dessen Schloss Château du Pachy erworben. Die Marke war allerdings in einem äußerst beklagenswerten Zustand. Ein stümperhafter Restaurateur hatte bei dem Versuch, eine kreuzförmige Federstrich-Entwertung von der Marke zu entfernen, gleich einen ganzen Teil des Markenbildes mit vernichtet. Bartels übergab das ramponierte Stück einem Spezialisten, der das verunstaltete Stück in mühseligster Kleinarbeit wieder herstellte.
1972 erwarb sie dann der „Spielautomatenkönig" und begeisterte Briefmarkensammler Gert Schulze von Wilhelm Bartels. Schulze, etwas eigenwillig, bezahlte sie aber nicht mit Bargeld, sondern tauschte sie gegen eine Yacht. Sein Sohn Ulrich erbte die seltene Briefmarke - und, es ist nicht zu fassen, er verbummelte sie. Nach 20 Jahren entdeckte er die Kostbarkeit in einem seiner Altdeutschland-Alben wieder und übergab sie dem Köln-Berliner Auktionshaus Dr. Wilhelm Derichs.
Eine Blaue oder Rote Mauritius, so ein Klassiker kommt im Schnitt einmal pro Generation zu einer Versteigerung, denn viele dieser Raritäten liegen schon längst unverkäuflich in Museumssammlungen. Und wie kommt jemand darauf, ein solches „Kronjuwel” in Kettwig zu versteigern? Silke Hoffmann vom Management des Schlosshotels war jedenfalls ziemlich erstaunt, als die Anfrage an das Haus herangetragen wurde: „Wir sind für uns völlig überraschend angesprochen worden.” Die Lösung liefert Auktionator Roland Meiners, der die Versteigerung in gut zwei Wochen leiten wird: „Ich habe seit vielen Jahren einen privaten Kontakt nach Kettwig. Hin und wieder waren wir zum Essen im Schloss Hugenpoet. Da dachte ich mir, wenn ich die Mauritius versteigere, wäre das die richtige Umgebung dafür.” Die mögliche Alternative, Villa Hügel, sei entfallen, „mein Auftraggeber wollte das nicht, das war ihm zu protzig”.
11 000 Auktionskataloge, die an sich schon Sammelstücke sind, hat Roland Meiners an vermögende Sammler verschickt. Mit 200 000 Euro liegt der Startpreis für eine solche Rarität zwar recht niedrig, aber, so Meiners: „Das ist ja erst der Anfang. Das Interesse an unserem Katalog war sehr groß. Ich bin guten Mutes, dass sich der Betrag noch deutlich erhöhen wird.”