Silvia Weiskopf liebt Theater, bei dem man verrückt sein kann. Jetzt hat sie wieder Gelegenheit dazu. In Jan Demuths „Holger, Hanna und der ganze kranke Rest“ kann sie richtig aufdrehen. Premiere in der Casa

Silvia Weiskopf liebt Theater, bei dem man verrückt sein kann. Jetzt hat sie wieder Gelegenheit dazu. In der deutschen Erstaufführung von Jan Demuths Pubertätskomödie „Holger, Hanna und der ganze kranke Rest“ kommt sie als eingebildete 18-Jährige daher, die einen liebeskranken Jungen am ausgestreckten Arm verhungern lässt. „Sie ist eine blöde Kuh, eine arrogante Ziege, ein flatterhaftes Huhn, und es macht total Bock, sie zu spielen“, sagt die 31-Jährige, die ab heute in dieser Rolle in der Casa zu sehen ist.

Silvia Weiskopf kennt den Zustand nur zu gut. Sie war ja selbst mal in der Pubertät. „Die ist noch gar nicht so lange vorbei. Unverstanden und allein fühlt man sich. Es ist furchtbar“, weiß die gebürtige Mainzerin, die damals Black Metal hörte und nur schwarze Klamotten trug. Ihre Eltern seien nicht mehr an sie herangekommen – das Theater schon.

Im Jugendclub des Staatstheaters Mainz kam „der Hang zum Dramatischen“ zum Vorschein. „Da musste irgendetwas raus, ein großes Gefühl“, meint sie. Zwei Jahre sprach sie hartnäckig in Schauspielschulen vor und landete in Bochum. Dort lernte sie, was sie eigentlich will, und begriff, was sie am Theater so reizt: „Figuren verkörpern, die man im echten Leben nicht sein kann, Emotionen ausleben, die für das echte Leben zu groß sind.“ Und der Grundstein für mehr Selbstbewusstsein und ein gutes Körpergefühl wurde obendrein gelegt. Schwarz trägt sie seither nicht mehr.

Sie debütierte in Zürich in David Böschs Inszenierung von „Der Streit“, fühlte sich in ihrem ersten Festengagement in Leipzig mit Karin Henkels „Die Ratten“ wie bei einem Hauptgewinn und kam über Bielefeld schließlich ans Schauspiel Essen, wo sie ein zweites Zuhause gefunden hat. „Es ist echt herzlich und sehr familiär hier“, so Silvia Weiskopf. Und auch wenn sie sich nach Klassikern sehnt, die ihr bisher noch nicht angeboten wurden, weiß sie es zu schätzen, viele unterschiedliche Figuren und Stile spielen zu können. Die größte Konzentration forderte ihr das Solostück „Der Mars lacht“ ab, die größte Herausforderung war und ist für sie die Rolle der Terroristin Gudrun Ensslin in „Ulrike Maria Stuart“, aber die größte Freude hat sie als Aktivistin Jule in „Die fetten Jahre sind vorbei“. Bei der comichaften Bühnenversion führte Henner Kallmeyer Regie, mit dem sie jetzt auch „Holger, Hanna und der ganze kranke Rest“ geprobt hat. „Die Arbeit mit Henner macht Spaß. Da bringt mich einer wieder zum Blühen“, erzählt sie begeistert.

Silvia Weiskopf wird zur hochnäsigen Hanna, in die Holger erfolglos verliebt ist. Die Eltern glauben, er braucht eine Therapie, weil sie in Scheidung leben. Doch er leidet, weil er bei Hanna nicht landen kann. Die interessiert sich mehr für seinen Vater und stößt auf Gegenliebe. Holger findet das krank, Silvia Weiskopf findet das schrecklich für den Jungen. „Es ist eine Komödie, in der das Tragische extrem auf die Spitze getrieben wird“, erklärt sie Jan Demuths ironisch-parodistisches Stück. Langwierige Vorbereitungen auf die Arbeit mit Henner Kallmeyer waren gar nicht nötig. „Man zieht bescheuerte Kostüme an und improvisiert. Daraus entwickelt er die Figuren“, sagt sie und denkt an das Ergebnis: „Ich freu mich, weil etwas Verrücktes dabei herauskommt.“