Essen. . Das Berufskolleg Mitte ist keine Eliteschule, hat aber eine Menge Selbstbewusstsein. Jetzt kam Schulministerin Sylvia Löhrmann auf Einladung der Schule zu Besuch - um sich anzuschauen, wie dort Integration versucht und individuelle Förderung gefördert wird.

Das Berufskolleg Mitte liegt zwar im Stadtkern, aber irgendwie ist hier, an der Schwanenkampstraße, gefühltes Niemandsland. Irgendwo zwischen der Rückseite vom Cinemaxx und der B224. Sagen wir mal so: Das Berufskolleg Mitte ist keine Eliteschule. Zu keiner Schule in Essen gehen mehr Schüler, die keinen Job finden und deshalb, als Überbrückung, die Berufsschule wählen.

In Behörden-Deutsch heißt das „SoB“: „Schüler ohne Berufsausbildungsverhältnis“. 350 junge Männer sind hier, weil sie sonst nicht wissen, wohin. Viele mit rudimentären Deutschkenntnissen. Regelmäßig kommt es vor, dass die Ausländerbehörden eine ganze Klassen von Jugendlichen am Berufskolleg Mitte abliefern. Junge Männer, die erst ein paar Monate in Deutschland sind, „und dann heißt es: ,Macht mal, die sind ja noch schulpflichtig’.“ So erzählt es eine Lehrerin.

Eine Schule voller Selbstbewusstsein

Andere machen hier ihren Hauptschulabschluss nach oder ihr Fach-Abi, und für die Hälfte der knapp 2000 Schüler ist das Berufskolleg Mitte die reguläre Berufsschule. Kraftfahrer, Installateure oder Kfz-Mechatroniker erhalten hier ihren Unterricht. Männeranteil: 95 Prozent. Jeder fünfte hat eine Migrationsgeschichte. Bei den „SoB“ sind es bis zu achtzig Prozent.

Diese Schule ist voller Selbstbewusstsein, im besten Sinne. Eine Lehrerin hatte vor Monaten einen Brief an Schulministerin Sylvia Löhrmann geschrieben. Handschriftlich. Die verehrte Ministerin möge doch mal kommen und sich das Ganze angucken: zum Beispiel, wie man hier Integration versucht und individuelle Förderung, trotz der Umstände, die wirklich nicht einfach sind.

Und? Frau Ministerin kam. Sie nahm sich fast zwei Stunden Zeit. „Schulbesuche zählen zu den wichtigsten Terminen“, sagt sie, „um Impulse aufzuschnappen, Stimmungslagen.“

Schule kann auf Erfolge blicken

Die Ministerin, die in ihrer Jugend das BMV-Mädchengymnasium in Holsterhausen besucht hat, erzählt, dass sie während ihres eigenen Referendariates ein halbes Jahr lang an einem technischen Berufskolleg in Duisburg-Hamborn unterrichtet hat. Ohne Umschweife sagt sie: „Das war eine harte Erfahrung.“ Die Lehrer des Berufskollegs Mitte lächeln wissend. Und dann berichtet Bildungsgangleiterin Marina Hellwig über das, was sich in den letzten Jahren getan hat, um den Schülern, die heute anders sind als früher, gerecht zu werden: „Wir müssen hier Deutsch unterrichten, anders geht es nicht mehr.“

Die Lehrerin berichtet, dass die Schule schrittweise Methoden übernommen hat, die an Grund-, Gesamt- und Förderschulen längst etabliert sind; „aber Eingangs-Diagnostik machen wir noch viel zu wenig“. Es entwickelt sich ein Fachgespräch zwischen der Schulministerin und den Praktikern, es fallen Begriffe wie „Lernfeldorientierung“ und „Lernstandstests“. Unterm Strich bleibt festzustellen, dass die Schule ihr Ziel, die Abschlussquote von Migranten um 15 Prozent zu verbessern, erreicht hat. Dass die Schule einen Teil des Unterrichts mittlerweile mit zwei Lehrern in der Klasse abhält, nicht nur mit einem. Dass die Schule längst das macht, worüber derzeit alle reden: „Inklusion“. Also jene integriert, die Kandidaten für eine Förderschule sind.

Warum trägt die Schule dann nicht das „NRW-Gütesiegel Individuelle Förderung“? – „Wir machen das faktisch längst, und man muss nicht auf jede Sau springen, die durchs Dorf läuft“, sagt Schulleiter Ulrich Guthardt. Er sagt das nicht herablassend. Sondern mit einer Nüchternheit, die aus Souveränität entsteht. Letztendlich gehe es nur darum, meint Guthardt, „unsere Schüler arbeitsfähig zu machen“. Nicht mehr. Aber eben auch nicht weniger.