Essen. . 2015 ist weit weg, dennoch drängt sich diese Frage auf, wie es weitergeht mit der Müllverbrennung im Karnaper Heizkraftwerk. Der Veraschungsvertrag, den die fünf „Karnapstädte“ vor fast 50 Jahren mit der RWE-Kraftwerkstochter geschlossen haben, läuft zum 31. Dezember 2014 aus. Es droht das Ende einer „Müll-Ehe“.
Soviel darf als sicher gelten: Auch am 2. Januar 2015, wenn die Müllmänner ihren Feiertagskater aus den müden Knochen geschüttelt haben, werden in dieser Stadt die grauen Mülltonnen geleert, und nicht nur, weil dieser Tag auf einen Freitag fällt. Aber wieviel müssen die Essener dann dafür zahlen?
2015 ist weit weg, dennoch drängt sich diese Frage dieser Tage auf und zwar ungeachtet der Jahresüblichen Gebührensprünge. Denn just zum Jahreswechsel wollten sie im Rathaus eigentlich klarer sehen, wie es weitergeht mit der Müllverbrennung im Karnaper Heizkraftwerk.
Am Geld gescheitert
Verhandlungen mit dem Betreiber, der RWE Power AG, sollten bis dahin beendet sein - mit einem für alle Beteiligten positiven Abschluss. Doch klar ist gar nichts. Nur soviel steht unumstößlich fest: Der Veraschungsvertrag, den die fünf „Karnapstädte“ vor nunmehr fast 50 Jahren mit der RWE-Kraftwerkstochter geschlossen haben, läuft zum 31. Dezember 2014 aus.
Es droht das Ende einer „Müll-Ehe“ schrieb jüngst die WAZ-Schwesterzeitung NRZ und ließ folgenden schönen Satz folgen: „Die wäre dann nicht an falsch ausgedrückten Zahnpastatuben gescheitert, sondern am schnöden Mammon.“ Man möchte hinzufügen, es wäre nicht der erste Bund fürs Leben, der aus diesem Grund zerbricht.
Der Veraschungsvertrag garantiert der Stadt jedenfalls konkurrenzlos günstige Verbrennungspreise. Für jede Tonne Müll, die in einem der vier Öfen in Flammen aufgeht, zahlen die Entsorgungsbetriebe 38 Euro. So macht die Müllverbrennung mit 5,1 Millionen Euro pro Jahr nur einen Anteil von knapp zehn Prozent an den Entsorgungskosten aus. Dabei könnte es aus Sicht der Gebührenzahler gerne bleiben. Doch danach sieht es leider nicht aus.
Risiko ist zu groß
Am Verhandlungstisch haben die Stadt - federführend für den Karnap-Verbund - und RWE Power vielmehr eine Partie eröffnet, die an Poker erinnert. Stadtkämmerer Lars-Martin Klieve spielt eine Karte aus: Die Stadt würde das Müllheizkraftwerk übernehmen, „gerne auch mit den anderen Kommunen zusammen“. Was die Stadt bereit wäre dafür zu zahlen, darüber schweigt sich der Kämmerer aus.
Diese Karte konnte bislang nicht stechen. RWE Power hat seinerseits einen neuen Pachtvertrag ins Spiel gebracht. Was ein Unternehmenssprecher ein attraktives Angebot nennt, würde für die Karnap-Städte deutlich schlechtere Konditionen bedeuten und für die Bürger einen satten Gebührenaufschlag. 70 Euro sollen sie pro Tonne zahlen, gar 79 Euro, sollten sie ihren Müll in nur drei der vier Öfen verbrennen wollen. Nicht nur das: Die Städte müssten selber sicherstellen, dass das Heizkraftwerk auch ausgelastet wäre.
Dieses Risiko aber erscheint den verblieben „Karnap-Städten“ zu groß, zumal sich Mülheim und Gladbeck bereits aus dem Fünfer-Bund verabschiedet haben und die Müllmenge dadurch sinkt. Die verbliebenen drei Städte - Essen, Bottrop und Gelsenkirchen - wollen alles auf eine Karte setzen. Eine, von der man sich fragt, ob es nur ein Bluff sein könnte.
"Mülltourismus wollen wir nicht"
Nach den Worten von Stadtkämmerer Lars Martin Klieve prüft die Stadt mehrere Optionen, wobei ein Kauf des Müllheizkraftwerks für die Kommunen die eleganteste und auf lange Sicht wohl auch günstigste Lösung wäre. Ein Unternehmenssprecher von RWE Power mochte sich jedoch zu der Offerte gar nicht erst äußern.
Die Alternative: Die Stadt schreibt den Auftrag für die Müllverbrennung aus. Bottrop und Gelsenkirchen prüfen den gleichen Schritt. Dafür sprechen schon vergaberechtliche Gründe, ein „Weiter-so-wie-bisher“ lässt die Rechtslage nicht zu.
Von den Preisangeboten potenzieller Interessenten muss den Kommunen nicht bange sein. In Nordrhein-Westfalen buhlen gleich eine Reihe von Müllverbrennungsanlagen um Kundschaft. Asdonkshof am Niederrhein zum Beispiel, Wuppertal, Hagen oder Herten, wo künftig der Gladbecker Müll verbrannt wird. Die Kapazität der Verbrennungsanlagen ist jedenfalls längst nicht erschöpft.
Aber: „Mülltourismus wollen wir nicht“, betont Kämmerer Lars Martin Klieve. Aus Rücksicht auf die Umwelt und aus finanziellen Erwägungen ist der Stadt an möglichst kurzen Entsorgungswegen gelegen. Weite Wege bedeuten höhere Kosten für die Logistik. Dazu muss es nicht kommen. Die Müllverbrennungsanlage von Remondis in Oberhausen etwa liegt praktisch direkt vor der Haustür. Von Borbeck aus wäre der Weg sogar kürzer als bis zum Müllheizkraftwerk in Karnap.
Die Zukunft bleibt offen
Das alles bleibt Spekulation. So drängt sich die Frage auf, ob die Stadt ihren Verhandlungspartner nicht zum Verkauf, zumindest aber zu günstigeren Konditionen „überreden“ will, in dem sie eine Ausschreibung ins Spiel bringt. Dem „Karnap-Betreiber“ RWE können die Gedankenspiele im Rathaus nicht gleichgültig sein.
Mit einer Verbrennungskapazität von 670.000 Tonnen pro Jahr ist der Müllofen einer der größten. Die Anlage will „gefüttert“ werden. Womit, auch das könne der Stadt auch als zuständige Umweltbehörde nicht egal sein, unterstreicht der Kämmerer und erinnert an Mülllieferungen aus Süditalien oder Australien.
Dass sich „Karnap“ damit allein betreiben ließe, halten Experten für ausgeschlossen. Auf den Müll der verbliebenen Karnap-Städte wird RWE Power nicht so einfach verzichten wollen. Sollte es tatsächlich zu einer Ausschreibung kommen, werde man sich die Konditionen mit großem Interesse ansehen, so ein Sprecher. Das klingt, als könnte die Müll-Ehe noch eine Fortsetzung finden. Auf welchem Weg auch immer.