Essen. . Sein erstes Kino richtete Hanns-Peter Hüster als 14-Jähriger im Luftschutzkeller seines Elternhauses ein. Heute zählen zu seinem kleinen Imperium der Essener Filmkunsttheater fünf Kinos in Essen, darunter auch die Lichtburg, und eines in Mülheim. Im Januar wird das Jubiläum gefeiert.
In seinem Elternhaus in der Schönleinstraße richtete Hanns-Peter Hüster als 14-Jähriger sein erstes Kino ein. Heute zählen zu seinem kleinen Imperium fünf Kinos in Essen und eines in Mülheim, die von Lebenspartnerin Marianne Menze sowie dem Team der Essener Filmkunsttheater in seinem Sinne geführt werden. Neben einem alljährlich ausgezeichneten Programm gehört die Rettung historischer Häuser vor Verfall, Abriss oder Fremdnutzung zu seinen Herzensangelegenheiten und Verdiensten. Mit dem 76-Jährigen, der hierzulande als einer der ersten Programmkino-Betreiber gilt, sprach Dagmar Schwalm.
Ihre Eltern bezeichneten Sie als filmverrückt. Warum?
Hüster: Ich bettelte so lange, bis ich den Luftschutzkeller unseres Hauses haben konnte, um ein Kino einzurichten. Da zeigte ich meine ersten Filme. Die Nachbarskinder, die rüberkamen, zahlten einen Groschen dafür. Und nachdem ich zur Konfirmation eine 16mm-Filmkamera bekommen hatte, drehte ich auf dem Dachboden auch meine ersten Kurzspielfilme.
Hatte Ihre Ausbildung mit Film zu tun?
Hüster: Meine Lehre machte ich als Fernmeldetechniker bei Siemens. Und da mein Vater einen der Direktoren kannte, durfte ich ein Jahr in die kinotechnische Abteilung, was eigentlich so nicht vorgesehen war. Ich war dann oft mit auf Montage, um Kinos für CinemaScope mit Vierkanal-Stereoton umzubauen. Eines der ersten CinemaScope-Kinos in Essen war das Universum mit 1150 Plätzen in Rüttenscheid, dort steht jetzt das Hotel Arosa. Es war neben dem Filmstudio mein Stammkino.
Wann wussten Sie, dass Sie Kino machen wollen?
Hüster: Das kam nicht sofort. Mein Vater hatte von Kino nie etwas gehalten, aufgrund seiner Erfahrung mit der Manipulation durch Filme während der Nazi-Zeit. Er hatte aber versprochen, mir zu helfen - was er leider nur selten getan hat. Ich ging dann erst den Weg über das Drehen von Filmen, arbeitete zwei Jahre beim WDR. Parallel dazu fing ich an, die ehemaligen Frillendorfer Lichtspiele als Studio Filmforum zu betreiben.
Das Studio Filmforum war ein Vorläufer der ersten Programmkinos und des Kommunalen Kinos, das die Stadt Essen dann 1964 unter Ihrer Leitung im Jugendzentrum Papestraße weiter betrieb. Welche Filme zeigten Sie dort?
Hüster: Zunächst liefen Filme wie „Pal Joey“, „Oliver Twist“, „Porgy and Bess“ und „Lieben Sie Brahms?“, später kamen Filme des europäischen Avantgarde-Kinos dazu.
Die Galerie Cinema war Ihr erstes Kino, in dem Sie frei schalten und walten konnten. Was war das für ein Gefühl?
Hüster: Das war toll, Unabhängigkeit pur. Niemand sagte mir, was ich machen sollte. Ich zeigte die junge Garde der Autorenfilmer wie Schlöndorff und Fassbinder und so was wie „Tschaikowsky“ von Ken Russell, der nicht nur perfekt gemacht ist, sondern auch kulturpolitisch brisant. Und ich zeigte regelmäßig erotische Filme wie Louis Malles „Herzflimmern“ oder Coline Serreaus „Pourquoi Pas!“. Die waren revolutionär.
In dieser Zeit lernten Sie Marianne Menze kennen. Haben Sie sich schlagartig verliebt?
Hüster: Das kann man so sagen. Das war 1973, in der ersten Spielwoche von „2001: Odyssee im Weltraum“. Wir hatten einen sehr ähnlichen Lebensstil. Vor allem ihre Aufrichtigkeit hat uns im Laufe der Jahre immer mehr zusammengebracht.
Arbeitete sie in der Galerie schon mit?
Hüster: Sicher. Wir mussten ja alles selber machen: putzen, reparieren, einkaufen, Filme auswählen, vorführen, mit Verleihern verhandeln, zu Filmtagen fahren. Als 1980 das Eulenspiegel dazu kam und sich das Ganze ausweitete, stieg sie aus dem Schuldienst aus.
Das 50er-Jahre-Kino an der Steeler Straße war Ihr erster Schatz.
Hüster: Von den Kinos, die 1980 noch übrig waren, war es das einzige, das noch über eine vernünftige Technik verfügte, also eine Panoramaleinwand hatte und Vierkanal-Stereoton. Inzwischen wurde die gesamte Technik erneuert und um einen 70mm-Projektor mit größeren Bildwand ergänzt. Ich habe immer darauf geachtet, dass projektionstechnisch alles auf dem neuesten Stand ist. Denn wenn hier etwas nicht stimmt, ist die Illusion zerstört.
Dem Einzug des Multiplex-Kinos konnten Sie trotzen und in den 1990er Jahren drei weitere historische Kinos retten sowie eines neu eröffnen. Was waren die Beweggründe?
Hüster: Da war das Filmstudio von 1924, das älteste Essener Kino. So etwas kann man doch nicht vor die Hunde gehen lassen, auch wenn es völlig heruntergekommen war. 1995 kam das Astra dazu, das zu Recht die kleine Lichtburg genannt wurde. Und das Rio in Mülheim.
Nicht zu vergessen: die Lichtburg. Hatten Sie nicht das Gefühl, dass Ihnen das alles über den Kopf wächst?
Hüster: Als die Stadt Essen uns fragte, ob wir sie ein Jahr betreiben wollten, konnten wir nach jahrelangem Kampf um ihren Erhalt kaum absagen. Wir stellten dann fest, dass man dieses große Haus wie jedes andere Filmtheater - aber mit mehr Aufwand und Arbeit - betreiben konnte. Wir kämpften weiter um sie und hatten viel Unterstützung dabei.
Vor zehn Jahren zogen Sie sich aus dem operativen Kinogeschäft zurück. Warum?
Hüster: Ganz zurückgezogen habe ich mich ja nicht, aber mit 66 Jahren und einem tollen Team im Rücken, sollte man auch seinen Mitstreitern mehr Verantwortung überlassen.
Wo und wie verbringen Sie heute Ihre Zeit? Zu Hause?
Hüster: Aber nicht, indem ich aus dem Fenster gucke. Ich digitalisiere meine Filme oder Fotos. Ich fotografiere, früher waren es Porträts, heute sind es Landschaften. Ich kümmere mich um die Sammlung von historischen Filmgeräten, sehe mir regelmäßig Filme in meinem Privatkino an, das ich mir über dem Eulenspiegel eingerichtet habe, und ich höre oder mache dort Musik.
Wie groß ist Ihre Filmsammlung?
Hüster: Im Laufe von 50 Jahren sind 2500 Titel auf VHS, DVD und Blu-ray zusammengekommen. Ich sammle aber auch nicht alles, in erster Linie Filme, von denen es keine Filmkopien mehr gibt. Meine Sammlung von Filmmusik ist mit 5000 CDs und LPs meine große Leidenschaft. Darunter Miklós Rózsas Musik zu „Das Dschungelbuch“. Dieser Film, den ich zum ersten Mal als Kind im Gruga-Kino sah, hat mich eigentlich zum Kino gebracht. Nach dem Hauptdarsteller Sabu ist der kleine Saal in der Lichtburg benannt.
Bedauern Sie zuweilen, dass die guten alten Zeiten vorbei sind?
Hüster: Ich vermisse manchmal die inhaltliche Unabhängigkeit und Kompromisslosigkeit der Galerie-Cinema-Zeit. Damit ging es Marianne und mir sehr gut. Jedes weitere Kino brachte mehr Verpflichtungen, mehr Zwänge und weniger Zeit - aber auch die Freude über ihren Erhalt.