Essen. . Alle Hausbesitzer müssen bis 2015 ihre Abwasserleitungen überprüfen lassen, in Ausnahmefällen könne die Frist bis 2023 verlängert werden. Wie in den Städten konkret zu verfahren ist, regeln kommunale Satzungen. All das sorgte für einen gewissen Aufruhr auch unter Essener Hausbesitzern.

Rund 92 000 Häuser gibt es in Essen und weil in allen gewaschen, geputzt, die Toilette gespült wird, fallen täglich tausende Kubikmeter Abwasser an. Aus gutem Grunde also gibt es ein Bundesgesetz, das Hausbesitzer verpflichtet, ihr Waschwasser ordnungsgemäß zu entsorgen.

Was allerdings „ordnungsgemäß“ ist, das regeln wiederum die Länder selbst. In NRW bedeutete das bis Dezember: Alle Hausbesitzer müssen bis 2015 ihre Abwasserleitungen überprüfen lassen, in Ausnahmefällen könne die Frist bis 2023 verlängert werden. Wie in den Städten konkret zu verfahren ist, das regeln wiederum die kommunalen Satzungen.

All das sorgte für einen gewissen Aufruhr auch unter Essener Hausbesitzern, denn klar war: Ob die Frist nun bis 2015 oder bis 2023 läuft – die Überprüfung wird teuer. Angefangen bei der Dichtheitsprüfung. „In der Regel“, sagt Bernd Staats vom Fachverband Sanitär, Heizung Klima, „kostet die Untersuchung 300 bis 900 Euro“. Präziser lasse sich das nicht abschätzen, „denn der Preis hängt ab von der Länge des Rohrnetzes zwischen Haus und dem Anschluss an das öffentliche Kanalsystem.“

Ungleich teurer wird es, werden die Kanalprüfer fündig, denn die Beseitigung von Leckagen kann schnell einen fünfstelligen Betrag kosten – und dass die Prüfer etwas finden, ist wahrscheinlich. „Bei 70 bis 80 Prozent aller Rohruntersuchungen sind Schäden festgestellt worden“, sagt Staats. Hier das abgesackte Erdreich, da eine eingewachsene Baumwurzel. Schon gibt es ein Loch, durch das Toilettenwasser ins Erdreich sickert.

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Keine Frage – die Kosten sind beträchtlich und Klarheit in der Sache fehlt. So resümiert der FDP-Landtagsabgeordnete Ralf Witzel, zu keinem Thema (ausgenommen einmal der Debatte um die Abgeordneten-Diäten) derart viele Zuschriften bekommen zu haben wie zum Kanal-Tüv. „Da gibt es alleinstehende Rentnerinnen, die fürchten müssen, dass sie hohe Kredite brauchen, um Rohre sanieren zu lassen. Und es gibt junge Familien, die ihr Haus über einen langen Zeitraum finanziert haben und fürchten, diese Investition nicht stemmen zu können.“

Sorgen, die die Politiker von FDP, CDU und der Linken wiederum zu der Überlegung führte: Darf man alle Hausbesitzer unter Generalverdacht stellen? Oder wäre es nicht sinnvoller, nur dort zu prüfen, wo es konkrete Hinweise auf defekte Rohre gibt „und außerdem die Rohrleitungen aller Häuser zu überprüfen, die neu ans Kanalnetz angeschlossen werden?“ Erreicht haben die drei Parteien im Landtag im Dezember eine Aussetzung der Frist. Nun soll ein neues Gesetz eingebracht werden, das klar definiert: Muss flächendeckend geprüft werden, und wenn ja, wann?

„Im Moment kann man nur abwarten“, sagt Staats. Gleichwohl sein Verband sich offiziell über das Gerangel beschwerte. Denn die Sachkundigen investierten nicht wenig Geld in die technische Ausrüstung für den Kanal-Tüv, der mit Hilfe spezieller Kameras oder Druckluftprüfungen durchgeführt wird.

Und dennoch, so argumentiert auch CDU-Ratsherr Guntmar Kipphardt, gibt es zu wenige Firmen, die die Spezialuntersuchungen anbieten. „Diese Sachkundigen können unmöglich bis 2015 alle Häuser überprüfen“, sagt Kipphardt. Noch ein Argument für die Aussetzung liefert Witzel: „Gerade in den Stadtteilen, in denen das Grundwasser steigt, sind die kaputten Rohre von Nutzen.“ In Stoppenberg und Altenessen stünden immer häufiger Keller unter Wasser. Und das, obschon es kaputte Rohre gebe, in die das umspülende Grundwasser sickere und so in die Kläranlagen abtransportiert werden. Schließe man diese Rohre, stiegen mit dem Grundwasser auch die Probleme. Ein Argument gleichwohl, das die gesetzlichen Vorgaben ad absurdum führt. Denn es soll eben nicht nur verhindert werden, dass Abwasser aus den Rohren austritt, sondern eben auch, dass eigentlich sauberes Grundwasser die Kläranlagen unnötigt belastet und damit Kosten verursacht.

Bis hierher: Derzeit lässt sich der Kanal-Tüv nur auf die lange Bank schieben, „denn bis nicht klar ist, was entschieden wird, werden wir die kommunale Satzung auch nicht ändern“, sagt Stadtsprecherin Jeanette Kern.

Die eigenen Prüfungen, die die Stadtwerke turnusmäßig durchführen, sollen indes weiterlaufen, betont Stadtwerke-Sprecher Dirk Pomplun. Regelmäßig inspiziere man die rund 1600 Kilometer städtischen Kanalnetzes und saniere im Bedarfsfall.