Essen. . Eine Großstadt schläft nicht, auch nicht an Weihnachten. Wenn sich also am Heiligen Abend die meisten Familien in der ganzen Stadt um Festtafel und Tannenbaum versammeln, fehlen viele Bürger in dem Kreis: Sie müssen arbeiten.

Eine Großstadt schläft nicht, auch nicht an Weihnachten. Wenn sich also am morgigen Samstag Familien in der ganzen Stadt um Festtafel und Tannenbaum versammeln, fehlen viele Bürger in dem Kreis: Sie müssen arbeiten. Menschen, die hinterm Steuer von Bussen und Taxen sitzen, als Polizisten, Sanitäter und Notärzte bereit stehen, sich in Heimen und Kliniken um Alte und Kranke kümmern, putzen und bedienen, kochen und überwachen - sie alle halten Essen am Laufen, wenn andere besinnlich feiern. Einige haben wir getroffen.

Die Reinigungskraft. Der Heilige Abend fängt für Gülten Güler mit Putzen an: Um 10 Uhr beginnt die Schicht der 32-Jährigen, sie reinigt die Toiletten am Hauptbahnhof. 24 Stunden am Tag können Reisende dort ihr Bedürfnis erledigen, bis zu 2000 kommen jeden Tag. Acht Damen- und sechs Herrenkabinen, die immer blitzblank sauber sein müssen. „Das ist kein Job für jeden, manche Kunden sind in der Adventszeit gestresst und ruppig, mir macht das nichts. Ich wünsche schöne Feiertage und bekomme den Wunsch zurück.“ An Heiligabend wäre Gülten Güler aber lieber zu Hause, denn obwohl Weihnachten nicht zu ihrer Religion gehört, feiert die Muslimin es dennoch. „Meine Tochter ist sechs Jahre alt, sie soll nicht zurückstehen müssen, wenn andere Kinder von ihren Geschenken berichten.“

Der Feuerwehrmann. Rund 140 Frauen und Männer haben an Heiligabend bei der Feuerwehr Dienst, Brandschützer, Sanitäter und sieben Notärzte, die im schlimmsten Fall gerufen werden. Reiner Klus arbeitet seit 37 Jahren bei der Wehr – auch am 24. Dezember: „Man stellt sich darauf ein, unser Dienst steht auf Jahre im Voraus fest.“ Seinen drei erwachsenen Söhnen mache es nichts aus, dass vormittags beschert wird. „Und meine Frau unterstützt mich.“

Um 13 Uhr beginnt die Schicht für Klus - wenn alles gut geht – in der Küche. Gemeinsam kochen die 27 Brandschützer, die auf seiner Wache Bereitschaft haben, ein Drei-Gang-Menü, als Hauptgericht gibt es Wildschwein. „24 Stunden zusammen im Dienst zu sein, da ist das wie eine zweite Familie.“ Wird viel los sein zum Fest? „Statistisch gesehen brennt es zum Glück nicht häufiger.“

Die Altenpflegerin. Silvia Binding geht sogar freiwillig arbeiten: Die 43-Jährige sorgt im Marie-Juchacz-Haus der AWO für 33 teils demente Senioren, 130 leben insgesamt in dem Haarzopfer Haus. „An Heiligabend kommen selten Verwandte, deshalb feiern wir mit den Bewohnern.“ Drei Pflegekräfte sind laut Dienstplan für den 24. eingetragen, „acht kommen, freiwillig“.

Für diese Feier spannt die Pflegegruppenleiterin jedes Jahr ihre Familie ein: Ihre elfjährige Tochter spielt Weihnachtslieder, Gedichte werden vorgetragen, Geschichten erzählt. „Das ist hier oft festlicher als zu Hause. Wir sitzen zusammen, gemütlich, die Senioren erzählen von früher.“ Jedes Jahr nehme sie sich vor, Weihnachten bewusster zu erleben. „Hier in diesem Kreis besinnt man sich darauf.“


Weihnachten auf Streife
Die Polizistin.
Nadine Ruhnau wird ihren Heiligabend im Auto verbringen: Die 23-jährige Polizeikommissarin ist für den Streifendienst im Norden der Stadt ab 21 Uhr eingeteilt. Es ist ihr erster Weihnachtsdienst, im September hat sie ihre Ausbildung beendet. „Ich bin gespannt, was mich erwartet.“ Ruhestörer und Randalierer haben der Polizei das Fest 2010 sehr erschwert.

Dass junge Familienväter bei der Polizei Vorrang haben, wenn es um Urlaub an Weihnachten geht, findet Ruhnau richtig. Auch am 25. Dezember hat sie Nachtschicht, dazwischen wollen Verwandte und Freunde besucht werden. „Das ist alles gut organisiert.“ Ganz ohne Feststimmung vergehe ihr Dienst dann auch nicht: „Wir werden auf der Wache Plätzchen backen.“

Der Busfahrer. Keine Plätzchen, keine Weihnachtsmusik, Busfahrer wie Dirk Jennemann müssen auf all das an Heiligabend verzichten. „Musik und Essen sind während der Fahrt nicht erlaubt“, sagt der 44-Jährige. Seit 1998 fährt er für die Evag, rund 100 Fahrer sind mit ihm über Weihnachten im Einsatz.

Jennemann nimmt’s gelassen: „Heiligabend ist ein normaler Arbeitstag. Morgens wird es stressig, da sind die Straßen voll.“ Dafür seien die Fahrgäste aber freundlich: „Sie wünschen einem ein Frohes Fest. Das ist gar nicht selbstverständlich. Seit wir die Geräte haben, an die sie ihre Tickets zur Kontrolle halten, nehmen Fahrgäste uns kaum wahr.“ Ab Nachmittag würde es in der Regel ruhiger, manche Busfahrt sei sicher sogar komplett leer. „Da denkt man schon: Jetzt könnte ich bei der Familie sein. Ich habe einen zehnjährigen Sohn. Aber wir Busfahrer werden gebraucht.“

"Damit es in der Stadt warm und hell bleibt"

Der Schichtführer. Wenn sich andere über die vielen Fernsehfilme an Weihnachten freuen, muss Peter Freitag auf 16 Bildschirmen in der Leitzentrale des RWE-Müllheizkraftwerks in Karnap genau den Betriebsablauf überwachen. „Meinen Töchtern sage ich, ich sorge dafür, dass es in der Stadt warm und hell bleibt“, sagt der 45-Jährige. 700 000 Tonnen Müll werden hier pro Jahr verbrannt, erzeugt wird so auch Wärme und Strom; mit zehn Kollegen hält Freitag am 24. Dezember die Stellung.

Seine Töchter, neun und zwölf Jahre alt, sind aber wenig erfreut, dass sie bis 22 Uhr mit der Bescherung warten müssen, ehe der Papa nach achteinhalb Stunden Arbeit nach Hause kommt. „das ist schon grausig, aber meine Familie unterstützt mich, mit meiner Frau werde ich nach der Schicht noch ein Glas Sekt trinken und Weihnachten gemütlich beginnen.“

Feiern während der Arbeitszeit

Der Barmann. Wenn Freitag seine Schicht endet, fängt Flamur „Muli“ Kurtay erst an: Ab 22.30 Uhr steht der 21-Jährige hinter der Theke der Diskothek „Naked“. „Ich bin auch früher an Heiligabend feiern gegangen, für meine Eltern macht das keinen Unterschied.“

Rund 20 Mitarbeiter halten das „Naked“ bis in die frühen Morgenstunden auf, Muli nennt sie seine zweite Familie. „Das ist schon toll, an Heiligabend sind auch unsere Gäste in der Regel etwas schicker, man feiert mit Freunden.“ Und nicht zuletzt macht die Feststimmung so manchen auch offenherziger: „Ja, das stimmt schon, an Weihnachten sind die Damen durchaus flirtfreudiger. Aber auf eine nette Art.“ Das mache die Arbeit dann noch angenehmer.