Essen/Gladbeck/Bottrop/Arnsberg.. Die Ruhe währte nur einen Tag. Schon am zweiten Tag im Mordprozess um die Libanesen-Hochzeit in Bottrop kam es am Donnerstag zu Tumulten im Essener Landgericht. Ein älterer Libanese schlug während einer Sitzungspause im Foyer eine jüngere Frau, berichteten Augenzeugen.
Angeklagt sind die Brüder Chalid (29) und Bilal C. (24) aus dem sauerländischen Neheim-Hüsten sowie ihr Essener Cousin Haysam S. (28). Weil Chalid C. im Frühjahr von seiner Frau verlassen wurde und sie das Sorgerecht für die Kinder erhielt, sollen er und seine Mitangeklagten aus Rache den 32 Jahre alten Bruder der aus Gladbeck stammenden Frau erstochen haben. Hinterrücks sollen sie sich ihm am 12. Juni auf einer libanesischen Hochzeit in der Bottroper Festhalle „Gülüm“ genähert und ein Messer in seinen Rücken gestochen haben. Im Krankenhaus erlag er seinen Verletzungen.
Unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen begann der Prozess am 13. Dezember. Morddrohungen hatte es gegeben. Neben rund 50 Polizeibeamten versuchen auch zwei libanesische Streitschlichter die verfeindeten Familienclans auseinander zu halten.
Als die rund 70 Zuschauer in der Pause im Foyer des Landgerichtes standen, soll der ältere Mann unvermittelt eine Frau aus dem anderen Clan seitlich ins Gesicht geschlagen haben. Sofort griffen Polizisten und Justizwachtmeister ein und erstickten den drohenden Tumult rechtzeitig.
Als Schwurgerichtsvorsitzender Andreas Labentz die Kontrahenten in der Sitzung vernahm, schilderten sie den Vorgang anders: Danach hätte die Frau etwas Beleidigendes gesagt und der Mann ihr deshalb den Mund zuhalten wollen. Gegenseitig entschuldigten sie sich. Labentz drohte mit Ordnungshaft, verwies dann aber den Mann des Saales und ermahnte die Frau, die weiter zuhören durfte.
„Es war die Hölle“, sagt sie rückblickend
Zuvor hatte die 25 Jahre alte Gladbeckerin Jehan S. von ihrer Ehe mit dem Angeklagten Chalid C. berichtet. Als Martyrium schilderte sie das Leben mit ihm und seiner Familie in Neheim-Hüsten. Chalid, den sie im Mai 2007 nach islamischem Recht geheiratet hatte, hätte sie fast täglich geschlagen. Im Dezember 2007 kam sie mit Rippenbrüchen ins Krankenhaus, sie spricht auch von einem Suizidversuch: „Ich hätte mir fast das Leben genommen.“ Oft musste sie zu ihrer Schwiegermutter ins Haus, um dort zu putzen und andere Arbeiten zu verrichten, sagt sie. Dort sei sie von Chalids Mutter und seiner Schwester an den Haaren gezogen worden.
„Es war die Hölle“, sagt sie rückblickend. Mehrfach hätte sie ihren Mann verlassen. Doch ihr Vater hätte sie immer wieder dazu gebracht, zu ihrem Mann zurückzukehren. Er hat sich geändert, sei ihr gesagt worden. Im Frühjahr 2011 verließ sie ihn endgültig, ging aber nicht ins Gladbecker Elternhaus, sondern zog zunächst zu ihrer in Essen lebenden Schwester. Die Kinder hätte ihr Mann behalten: „Er setzte sie als Druckmittel ein, damit ich zurück komme“, sagt die akzentfrei Deutsch sprechende Libanesin, die anders als eine ihrer Schwestern im Gerichtssaal Kopftuch trägt. Chalid C., der seine Ex-Frau streng fixiert und Teile ihrer Aussage mit einem spöttischen Lachen kommentiert, hätte ihr auch immer wieder mit dem Tode gedroht: „Entweder ich, mein Vater oder einer meiner Brüder.“
Sie weint, als sie erzählt, wie sie am 12. Juni von der Attacke gegen ihren Bruder und von seinem Tod im Bottroper Knappschaftskrankenhaus erzählt. Noch in der Nacht sagte sie bei der Polizei aus: „Der Verstorbene ist mein Bruder, aber es geht um mich.“