Essen. Nach 41 Jahren im Kampf gegen Drogen bei der Essener Polizei geht Wilfried Goldmann in den Ruhestand. Der Junge, der später dank Juliane Werding als “Conny Kramer“ zu trauriger Berühmtheit gelangte, war sein erster Drogentoter. Über die Kommerzionalisierung von “Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ regt Goldmann bis heute auf. Denn: “Es gab kein Happy End.“

Er nennt sich selbst „Deutschlands dienstältester Drogenabhängiger“, weil er sich seit 41 Jahren mit Drogen und ihren Folgen beschäftigt. Wilfried Goldmann war Drogenfahnder. Seine kompromisslose Einstellung zu Drogen hat er mitgenommen, als er von der aktiven Bekämpfung zur Suchtvorbeugung wechselte: „Es gibt keine Lösung des Drogenproblems. Wir können das Übel nur klein halten.“

Dass der gebürtige Bottroper Goldmann nach Essen kam, war Zufall. Dass er zur Kripo kam, war keiner: Sein Onkel war Kriminalbeamter und hatte seine Berufswahl mitbestimmt. Als junger Polizeioberwachtmeister, den Dienstgrad gibt es heute gar nicht mehr, kam Goldmann zur Kripo Borbeck und kam 1970 zur damals gerade vier Mann starken „Ermittlungsgruppe Rauschgift“. Einer ihrer ersten Einsatzorte: die Grugahalle, in der 1970 das „Pop & Blues Festival“ die Szene anzog.

Blumenstrauß mit Teddy

Dort fing auch die Geschichte mit den Teddys an, von denen Goldmann heute mehr als 30 hat. Der Drogenfahnder erwischte fünf junge Leute, die einen Joint kreisen ließen. „Alles Lehramtsanwärter“, erinnert sich Goldmann. „Mit einer Verurteilung wäre es aus gewesen mit dem Staatsdienst. Als dann das Verfahren eingestellt wurde, kam per Fleurop ein Blumenstrauß mit einem Teddy dran.“

Das klingt folkloristisch. Doch es ging um die Bekämpfung einer Sucht, die auch damals schon tödlich endete. Juliane Werding, damals noch BMV-Schülerin, hatte im Frühjahr 1972 ihren ersten Nummer-eins-Hit mit „Am Tag, als Conny Kramer starb“.

„Den Brief habe ich heute noch.“

„Der Junge hieß natürlich nicht Conny Kramer. Aber er war mein erster Drogentoter.“ Noch besser als an ihn erinnert sich Goldmann an dessen Kumpel, einen versierten Apothekeneinbrecher. Der schrieb ihm aus dem Bochumer Knast „Krümmede“ einen Abschiedsbrief mit der Mahnung, er solle bitte möglichst viele Menschen von der Nadel holen. Für ihn sei es leider zu spät. Goldmann: „Ein Justizbeamter hat auf dem Umschlag notiert: Erhängt aufgefunden.“ Pause. „Den Brief habe ich heute noch.“

Die Zahl der Drogentoten stieg in den 1970er Jahren, als die harten Drogen auch nach Essen kamen. Es fing an mit „Berliner Tinke“, einer Mischung aus Rohopium und Essigsäure. Dann kam Heroin und „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, das Buch (1978) und später der Film über das Leben der minderjährigen Heroinabhängigen Christiane F. Ein Thema, über das Goldmann sich bis heute aufregen kann: „Kommerziell und unrealistisch“, schimpft er. „In Wirklichkeit gab es kein Happy End.“

Zusammenarbeit von Polizei und Drogenhilfe

Drogenfahnder Wilfried Goldmann (r.) mit Wolfgang Dinsing, dem späteren Chef des Kommissariates 11. Foto: Udo Milbret
Drogenfahnder Wilfried Goldmann (r.) mit Wolfgang Dinsing, dem späteren Chef des Kommissariates 11. Foto: Udo Milbret

Als selbst erklärter „Feind jeder Sozialromantik“ kämpft er in den 80er und 90er Jahren manchen Strauß aus mit Drogenhelfern. „Wer Drogenprävention macht, der muss wissen, wovon er spricht.“ Er findet sich bestätigt in seiner kompromisslosen Formel „Es gibt keine Prävention ohne Repression“, seit Stadt und Polizei genau nach dieser Maxime die offene Drogenszene am Hauptbahnhof zerschlugen und dabei feststellten: 30 Prozent der Szene kam nicht aus Essen. Kein Wunder, sagt Goldmann: „Wir sind mit dem Bauchladen durch den Bahnhof gelaufen und haben die Leute versorgt.“

Längst haben Polizei und Drogenhilfe in Essen Frieden geschlossen. „Es hat sich eine differenzierte und sensible Art der Zusammenarbeit entwickelt, wissend um die verschiedenen Aufträge und Rechtsgrundlagen, aber geprägt von Respekt und Achtung vor der Leistung des Anderen.“ Mit diesem Worten lobte Krisenhilfe-Chef Alfred Ferencz 1999 die Polizei - „zum ersten Mal seit 25 Jahren“.

Gegen eine Liberalisierung des Rauschgiftrechts

Verbindlich im Ton, knallhart gegen eine Liberalisierung des Rauschgiftrechts: Auch nach dem Wechsel von der Fahndung zur Vorbeugung (siehe unten) ist Goldmann seiner Linie treu geblieben. Als Beleg zitiert er gern aus dem Brief einer jungen Frau, den sie nach ihrer Haftentlassung schrieb. Da heißt es sinngemäß: Vielen Dank, dass ihr mich eingebuchtet habt. Hat mir das Leben gerettet.