Essen..
Mehr „schöne Dinge“, weniger Bücher in den großen Filialen: Buchhandelsketten wie Thalia oder Mayersche setzen zunehmend auf den Verkauf von artfremden Dingen wie Teelichter, Kochschürze und Frühstücksbrettchen. Kleinere Literaturhandlungen stemmen sich gegen den Trend.
Tchibo hat es allen vorgemacht, weshalb es nun viele nachmachen: Verkauft wird, was Umsatzsteigerungen verspricht. Wer einst nur wegen einem Pfund frisch gemahlener Bohnen die Filiale des Kaffeerösters aufsuchte, dem kann es mittlerweile als minder gefestigten Impulskäufer passieren, dass er mit einer gebuchten Kreuzfahrtreise und einem neuen Stromliefervertrag wieder hinaus geht. Ähnliches Szenario bei den großen Buchhandelsketten wie Thalia oder Mayersche: Auf der Suche nach einem Buchgeschenk, wird man schnell in Sachen Literatur fündig – und hat zusätzlich Teelichter, eine Kochschürze und Frühstücksbrettchen gekauft.
Prinzessin Lillifee-Spielzeug
Der schleichende Trend zur Tchiboisierung des Buchhandels vollzog sich bislang langsam aber sicher. Nun hat Filialist Thalia, der zum Douglas-Konzern gehört, angekündigt, seinen so genannten „Non-Book“-Bereich von 20 auf 40 Prozent zu erweitern. Die Leerstellen, die der zunehmende Handel mit elektronisch vertriebenen Büchern (E-Book, Internet-Handel) hinterlässt, will Deutschlands größte Buchhandelskette mit „buchnahen“ Artikeln bestücken. Damit sind Schreibwarenartikel, wie auch Prinzessin Lillifee-Spielzeug gemeint. Gleichzeitig schließt ein Drittel der Filialen. In Essen, wo Thalia die zwei ehemaligen Baedeker-Häuser in Rüttenscheid und an der Kettwiger, sowie zwei Filialen in den Einkaufscentern am Limbecker Platz und in Altenessen betreibt, seien „derzeit keine Flächenveränderungen geplant“, heißt es. Für Peter Kolling, Mitinhaber der Buchhandlung Proust, ist die Neuordnung des Sortiments bei den Großen „der verzweifelte Versuch mit sinkenden Umsätzen bei den Buchverkäufen“ umzugehen. Proust gehe diesen Trend nicht mit.
Tatsächlich sind die Gewinnmargen durch die Buchpreisbindung in Deutschland begrenzt. Wer also die Profitabilität seiner Verkaufsfläche steigern will, muss auf andere Produktbereiche ausweichen.
Dies ist jedoch nicht der Grund dafür, warum sich bei der kleinen Proust-Buchhandlung am Handelshof Weinflaschen über dem Fach mit den Kochbüchern um die Gunst der Kunden bewerben. „Wir bieten auf unseren Lesungen auch Wein an, und nachdem uns Gäste fragten, wo sie diesen kaufen könnten, haben wir den Tropfen ins Sortiment aufgenommen“, sagt Kolling. Der Wein orientiere sich zudem nicht an Romanvorlagen, sondern an der persönlichen Vorliebe seiner Geschäftspartnerin Beate Scherzer, die ihn kistenweise von ihren Ausflügen in die Pfalz mitbringt. Ansonsten versuche man sein „Kerngeschäft“, die Literatur, über Lesungen und Diskussionsveranstaltungen zu pflegen und nicht über „Nippes“, wie Kolling sagt.
Die kleine Buddha-Statue und die Duftkerzen
Genau so sieht es, genau so macht es Ralf Vogel, der das „Buchhaus“ in Altenessen führt. „Wir haben schlicht keine Zeit, Reklamationen über kaputtes Spielzeug zu bearbeiten oder Kochlöffel einzukaufen. Wir kümmern uns lieber um Literatur und die Menschen, die sie machen und die sie lesen“, sagt Vogel. Susanne Böckler, die 1997 die Buchhandlung „Alex liest Agatha“ auf der Rüttenscheider Straße übernommen hat, kümmert sich auch lieber um Gedrucktes als um Ess- oder Spielbares im Sortiment. Aber wenn ihr ein Lieferant, mit einer Empfehlung für ein italienisches Kochbuch noch das passend ausgesuchte Olivenöl oder Edel-Pasta anbiete, sage sie nicht Nein. „Gerade zur Vor-Weihnachtszeit wird gern noch eine kleine Aufmerksamkeit zum Buch gekauft“, hat Susanne Böckler beobachtet. Wichtig sei dabei, dass die Produkte nicht beliebig seien, dafür aber die Kunden emotional ansprechen.
Eine Erkenntnis, die auch der Mayerschen Buchhandelskette nicht entgangen ist. Das Aachener Familienunternehmen hat drei Läden in Essen. Auf 25 Prozent soll mittlerweile der Bereich im Sortiment angewachsen sein, den Kolling „Nippes“, Handelsexperten Non-Book-Bereich und Konstanze Hüls „schöne Dinge“ nennt. Die Leiterin der 5000 Quadratmeter großen Filiale in der Innenstadt betont, dass die Nicht-Buch-Artikel allesamt „buchbegleitend“ sein. Etwa die Ruhrpotttassen zum Ruhri-Comic oder Kulturhauptstadt-Bildband; oder die kleine Buddha-Statue und die Duftkerzen in der Esoterik-Abteilung. Das dürfe man nicht mit Tchibo verwechseln. „Wir sind immer noch in erster Linie Buchhändler. Und das sind wir mit großer Leidenschaft“, sagt Hüls – auch wenn Kritiker der ertragsorientierten Entwicklung in den Bücherregalen im Zusammenhang von Thalia und Mayersche nur noch von „Zweidrittelbuchhändlern“ sprechen. Wie dem auch sei: Die kleinen Buchläden in der Stadt sehen darin ihre Chance.