Essen. .

Römerlager in Olfen, Dino-Kralle in Dortmund: Ein Gespräch mit dem Essener Stadtarchäologen Detlef Hopp über seine alltägliche Arbeit, seine wichtigsten Funde und darüber, warum er gar nicht alles ausgraben will.

In Olfen haben Archäologen dieser Tage ein Römerlager entdeckt. Werden Sie als Essener Stadtarchäologe nicht neidisch?

Detlef Hopp: Nein. Es gibt in Essen genügend bedeutende Dinge, die noch im Boden liegen. Wir haben allein 20 Burganlagen, die bislang noch gar nicht ausreichend archäologisch untersucht wurden. Eine davon ist die Alteburg in Heidhausen, eine fränkische frühchristliche Burg. Wir haben aber Hinweise darauf, dass an dieser Stelle schon dreihundert Jahre vor Christus eine Wehranlage stand. Da sind wir zeitlich schon weit vor dem Römerlager in Olfen.

20 Burgen sind archäologisch unerforscht? Das dürfte auch dem Umstand geschuldet sein, dass sie als Stadtarchäologe nach wie vor ein Einzelkämpfer sind

Nicht nur: Ich würde mir natürlich Mitarbeiter wünschen. Wir haben in Essen mittlerweile mehr als 3000 Fundstellen. Es gibt also genug zu tun. So bin ich auf ehrenamtliche Helfer er angewiesen und auf freie Mitarbeiter, die ich nur in sehr bescheidenem Maße aus Landesmitteln bezahlen kann.

Wo steht die Stadtarchäologie heute im Vergleich zu vor 20 Jahren?

Wir haben heute einen wesentlich besseren wissenschaftlichen Kenntnisstand. Zu Beginn meiner Arbeit gab es nur etwa 100 Fundstellen. Heute gibt es aus nahezu allen Epochen Fundplätze, so gibt es bronzezeitliche Fundstellen, römische... Das zeigt, dass Essen ausgesprochen reich an archäologischen Quellen ist. Das gilt vor allem für die Innenstadt. Zum Beispiel auf dem Burgplatz, wo wir nicht nur ein Gehöft Altfrieds aus dem 9. Jahrhundert vermuten, sondern auch eine Burg aus dem 10./11. Jahrhundert. Werden hat eine ähnlich große Bedeutung. Natürlich ist es für uns ein Problem, dass in Essen viel gebaut wurde. Vieles ist kaputt, leider.

Was war Ihr bedeutendster Fund?

Das sind sicherlich die Reliquien aus dem Marsusschrein. Aber vielleicht auch die Schale, die um 200 datiert werden kann mit der Aufschrift „Judaiia“, die wir in den 90er Jahren in Burgaltendorf gefunden haben. Dieser Schriftzug ist nach Prof. Ludwig Berger aus Basel so zu deuten, dass die Besitzerin dieser Schale jüdischen Glaubens war.

Einmal im Jahr zeigen Sie eine Auswahl Ihrer Funde in einer Ausstellung im Rathaus...

Danach kommen die Funde ins Ruhrmuseum und sind dort in der Regel nicht mehr zu sehen. Das Ruhrmuseum zeigt nur eine kleine Auswahl archäologischer Funde aus Essen, weil es das gesamte Ruhrgebiet als Schwerpunkt hat.

Wünschten Sie sich für die Archäologie ein eigenes „Zuhause“? Zum Beispiel im „Haus der Essener Geschichte“?

Das neu eröffnete Haus hat aber als Schwerpunkt die Geschichte des 20. Jahrhunderts. Durch meine Festanstellung hat die Stadt ja einen Platz für die Archäologie geschaffen. So bleiben die Funde in Essen. Sonst würden sie wohl nach Bonn ins Landesmuseum kommen. Den wissenschaftlichen Ansprüchen ist mit der Einrichtung einer Stadtarchäologenstelle sicher Genüge getan.

Und dem öffentlichen Interesse?

Ich glaube, dass die Öffentlichkeit gut informiert ist durch unsere Ausstellungen und unsere Publikationen und durch die Pressearbeit. Wir versuchen andere Wege zu gehen, neue Wege. In Kooperation mit dem Amt für Geoinformation, Vermessung und Kataster und der Ruhruniversität Bochum erstellen wir visualisierte Ansichten. Zum Jubiläum 200 Jahre Krupp werden wir eine Visualisierung der Walkmühle präsentieren. Am 20. November 1811 schloss Friedrich Krupp mit den Gebrüdern Kechel einen Gesellschaftsvertrag zur Errichtung einer Gussstahlfabrik: Zu dieser Fabrik wurde die mittelalterliche Walkmühle umgebaut. Erst 1818 entstand das Stammhaus an der Altendorfer Straße.

Damit sind wir in der Industriegeschichte angekommen. Sie haben die Bauarbeiten im Kruppgürtel für archäologische Untersuchungen genutzt. Zu sehen ist davon kaum etwas.

Inzwischen entstanden hier beispielsweise das neue Thyssen-Krupp Quartier, der Park und der Berthold-Beitz-Boulevard. Die industriearchäologischen Relikte, die wir hier dokumentieren konnten, reichen bis in die 1820er Jahre zurück. Sie stammen also aus einer Zeit, aus der es vergleichsweise wenige Aufzeichnungen im Historischen Archiv Krupp und in anderen Archiven gibt. Einige Funde sind durchaus erhalten. Wir haben einige Stahltiegel aus dem 19. Jahrhundert aus diesen Funden zusammensetzen können. Das sind die einzigen Tiegel der Firma Krupp, die es heute noch gibt, abgesehen von den wenigen Stücken in der Villa Hügel.

Die Stadtarchäologie ist bei der Bauverwaltung angesiedelt. Wäre sie bei der Kultur nicht besser aufgehoben?

Nein, ich halte eine Angliederung an die Baubehörde für dringend notwendig. Nur so ist man als Archäologe nah dran an den Baustellen.

Sind Sie auf Baustellen gern gesehen?

Inzwischen habe ich keine Probleme mehr. Das war am Anfang anders. Archäologie ist immer ein Eingriff und bedeutet häufig Baustillstand. Davor hatten Bauherren Angst. Tatsächlich bedeutet eine eigene Archäologie aber auch Planungssicherheit. Auch andere Städte wie Dortmund und Duisburg haben dies erkannt und beschäftigen sogar mehrere Archäologen. Und, je früher ich als Archäologe eingebunden bin, desto besser läuft es. Mir geht es ja nicht darum, Dinge auszugraben.

Sondern?

Vorrangig will ich Dinge erhalten. Nur dort, wo Zerstörung droht, wird überhaupt gegraben. Forschungsvorhaben sind deshalb aber auch kaum möglich. Die Archäologie wird in Zukunft sicher noch feinere Methoden entwickeln als die, über die wir bereits heute verfügen. Insofern ist es manchmal besser, Dinge im Boden zu lassen.

Damit spätere Archäologen-Generationen noch genug zu tun haben?

So ist es.Das Gespräch führte Marcus Schymiczek