Die Zahl der Schulschwänzer, die zwangsweise zum Unterricht gebracht werden, hat sich in vier Jahren fast verdoppelt

Immer mehr Schüler werden vom Ordnungsamt unter Zwang zur Schule transportiert. Die Zahl der gestellten "Anträge auf Schulzuführung" stieg von 68 im Jahr 2004 auf 109 im Jahr 2007. Das geht aus dem Bericht "Ordnungsbehördlicher Jugendschutz 2007" hervor. Die Ratsfraktionen von CDU und Grünen äußern ihre Besorgnis.

Wenn Schüler regelmäßig über lange Zeit im Unterricht fehlen, können Schulen das Ordnungsamt einschalten. "Es gehört zu den letzten Mitteln, den Schüler wieder zum Unterricht zu bewegen", sagt Roswitha Tschüter, Leiterin der Hauptschule Karnap. "Wer mehrere Tage unentschuldigt fehlt, den versuchen wir zunächst anzurufen. Dann folgen Mahnbriefe. Helfen auch die nicht, folgt eine schriftliche Androhung der zwangsweisen Schulzuführung. Die bringt der Hausmeister persönlich vorbei und lässt sich den Empfang quittieren." Auch das Jugendamt werde über Schulschwänzer informiert.

Erst, wenn dann noch nichts geschehe, schreite das Ordnungsamt ein. Mit zwei Kräften, gekleidet in schwarzen Jacken mit der Rückenaufschrift "Ordnungsamt", werde der Schwänzer aufgesucht, berichtet Harald Wichmann, Außendienstkoordinator des Ordnungsamts. "Wenn wir Glück haben, wird uns geöffnet." Falls nicht, versucht es das Ordnungsamt in den kommenden Tagen erneut.

Der Schulschwänzer werde häufig aus dem Bett geholt. "Sie glauben gar nicht", sagt Wichmann, "in was für Verhältnisse wir da 'reinschauen." Eltern seien häufig schon morgens betrunken und vollkommen hilflos.

"Es gibt Fälle, da kommt jemand zwei Jahre nicht zur Schule", sagt Schulleiterin Roswitha Tschüter. "Oder jemand wird vom Ordnungsamt gebracht, ist in der ersten großen Pause aber schon wieder verschwunden." Die zwangsweise "Schulzuführung" erfolgt nur ein Mal. Wer danach wieder fehlt, dessen Eltern bekommen Bußgeldbescheide in Höhe bis zu 1000 Euro. "Erst dann", sagt Roswitha Tschüter, "ändert sich häufig etwas."

Wie hoch die Zahl der Schulmüden oder -verweigerer ist, kann man nur schätzen. Experten glauben, dass fünf bis acht Prozent der Schüler unterschiedliche Formen der "Schulverweigerung" an den Tag legen. In Essen wären das 4000 bis 6000 Kinder und Jugendliche. Die Zahl steigt.

"Schulverweigerer haben nur selten die ,Null-Bock'-Haltung", sagt Klaus Peter Kleinsimon, Leiter der psychologischen Schulberatungsstelle. "Manche haben Angst vor Überforderung oder Mitschülern. Andere können sich von zu Hause nicht lösen." Das habe oft einen tragischen Hintergrund - Gewalt in der Familie zum Beispiel. "Die Schüler wollen dann lieber daheim ihre Mutter vor dem aggressiven Vater beschützen, statt zur Schule zu gehen."