Essen.. Das Hauptbad ist marode. Seine Tage sind gezählt. Ein Rundgang durch den Keller des Gebäudes zeigt, warum. Auf der Brache „Thurmfeld“ nördlich der Innenstadt soll stattdessen für knapp zehn Millionen Euro ein neues Bad entstehen.

Was sind jetzt nochmal Stalagmiten, und was sind Stalaktiten? Die Frage drängt sich auf an diesem Ort. Wir sind im Keller des Hauptbads. Er gleicht einer Tropfsteinhöhle. Ein Rundgang.

Der Rat hat im Sommer beschlossen: Auf der Brache „Thurmfeld“ nördlich der Innenstadt entsteht für knapp zehn Millionen Euro ein neues Bad. Denn die Sanierung des Hauptbads an der Steeler Straße, gegenüber der Alten Synagoge, würde 16,5 Millionen Euro kosten. Mindestens.

Wann das neue Bad kommt und wann das Hauptbad für immer schließt, ist noch offen. Klar ist nur: Viel Zeit bleibt nicht, denn die Zustände sind beängstigend.

Unter dem Sportbecken kriegt man nasse Füße. Wir schauen nach oben, zur Decke, das ist der Boden des Bads. Grobporiger Beton, original aus dem Baujahr 1958. Es tropft. Ablagerungen haben sich gebildet, weiße und rostfarbene, der Kellerboden ist mit rotweißem Flatterband abgesperrt, wie auf einer Baustelle. „Das ist wirklich nicht erstrebenswert“, sagt Kurt Uhlendahl von den Sport- und Bäderbetrieben, und diese Worte sind ausgesprochen zurückhaltend gewählt. Uhlendahl tastet prüfend an ein Metallrohr, das der Rost zerfressen hat. Das Rohr wackelt.

„Hier könnten Sie ständig überall nacharbeiten“

Die Becken sind undicht, weil das Chlorwasser sich in Jahrzehnten durchgefressen hat. Wasser umgibt längst die Moniereisen, deshalb kommt rostfarbener Ausfluss aus den Wänden. Hier und da sieht man Stellen im Mauerwerk, die notdürftig geflickt wurden. „Hier könnten Sie ständig überall nacharbeiten“, sagt Georg Schwiderski, der Bad-Betriebsleiter.

Es sind nicht nur die Schäden, die die Zeit des Hauptbads haben ablaufen lassen. Auch wenn viele Essener das bedauern werden. Ein Stück Kindheitserinnerung wird ihnen genommen werden. Auch ein Stück hervorragender 50er-Jahre-Baukultur. „Ich erinnere mich an Schlangen bis auf die Straße“, sagt Uhlendahl (54). „Man bekam eine Eintrittskarte für eine Stunde, dann musste man raus, der Andrang war anders nicht zu beherrschen.“

Erst ab 1987, mit der Eröffnung des Gildehofbads, blieb das Hauptbad nicht länger das zentrale Hallenbad. Die Badezeiten für die Öffentlichkeit wurden dramatisch reduziert. Bis heute gilt: Geöffnet von 6.30 bis 10 Uhr, nur montags bis freitags. Bis heute gilt aber auch: Für viele Schulklassen und die meisten Schwimmvereine ist das Hauptbad erste Anlaufstelle. 300 Schulkinder, schätzt Bad-Chef Schwiderski, gehen täglich ins Wasser.

„Dies ist Essens größter Durchlauferhitzer“

Es sind also nicht nur die Schäden. „Wir wissen gar nicht, was hier durch welche Rohre fließt“, räumt Uhlendahl ein, „die Pläne gibt es nicht mehr.“ Es sind auch die technischen Unzulänglichkeiten eines Schwimmbads, das – bei aller Ästhetik über Tage – längst den Anschluss an die Gegenwart verloren hat. Im Keller ist das Bad ein Museum für Schwimmbadtechnik: Offene Wasserfilter, Baujahr 1958, groß wie mehrere Badewannen, chlorhaltige Ausdünstungen schaden auch hier dem Mauerwerk. Für Frischluft sorgt kein Rohr, sondern ein aufwändig aus Beton gegossener Schacht, so groß, dass fast eine U-Bahn drin fahren könnte. Die Luft kommt an, wird aufgeheizt, ins Gebäude gelassen – und verschwindet wieder durch die Deckenventilatoren. Die Wärme ist dann weg. Tauscher, Pumpen, um die Wärme im Raum zu halten? Gibt es nicht, kann man auch nicht mal eben installieren. „Dies ist Essens größter Durchlauferhitzer“, sagt Uhlendahl.

Das zur Heiztechnik. Die Original-Schaltschränke von 1958 mit groben Knöpfen und Hebeln sagen Entsprechendes über die Elektrizität im Haus.

Kein Mensch weiß, was mit diesem Gebäude werden soll. Einige sehen schon die nächste Bauruine die City verhunzen in den kommenden Jahren. Die alte VHS, die vor sich hin gammelt, ist gleich nebenan. Muss man noch erwähnen, dass auch das Dach undicht ist? Immerhin: Die Schwimmer sind dann ja schon nass.

PS: Stalaktiten wachsen von oben, Stalagmiten von unten. Im Hauptbad gibt es beides.