Essen. . Viktor Seroneit, der Netzwerker, Plakatkunst-Liebhaber und Veranstalter des über die Grenzen der Stadt Essen hinaus bekannten Treffs „Stammtisch und Talk“ starb am Samstag völlig überraschend mit 64 Jahren.
Gerade einen Monat ist es her, dass Viktor Seroneit zum 200. Mal zu „Stammtisch und Talk“ in seinen Plakat Kunst Hof an der Annastraße lud. Von der Ministerpräsidentin abwärts hatte sich keiner, der eingeladen war, zweimal bitten lassen. Rund 200 Entscheider, vorwiegend aus der Essener Stadtgesellschaft, kamen, feierten, redeten miteinander, aßen und tranken. Kein Mensch hätte sich vorstellen können, dass es der letzte Treff dieser Art sein würde. Und doch ist es so. Viktor Seroneit, Essens begnadeter, überaus sympathischer Netzwerker, ist am Samstag völlig überraschend im Alter von 64 Jahren verstorben.
Am Morgen in aller Frühe hatte sich der Mitinhaber eines Bauingenieur- und Planungsbüros von seiner Frau verabschiedet, um mit dem Rad in Richtung Baldeneysee zu fahren, wie er es oft und gern tat an freien Tagen. Irgendwann, so berichten Freunde, sei ihm wohl schlecht geworden, er habe sich auf eine Bank gesetzt und sei dort zusammengesunken. Der Notarzt konnte nur noch den Tod feststellen. Er hinterlässt eine Frau und zwei erwachsene Töchter.
Viktor Seroneit hatte die seltene Gabe, Menschen zusammenzubringen, die sich nicht unbedingt grün waren, aber im Rahmen seines Treffs gar nicht anders konnten als miteinander ins Gespräch zu kommen. Denn was bescheiden „Stammtisch und Talk“ hieß, war tatsächlich weit mehr: ein in Essen einzigartiger Mix aus Debatten-Salon, Entscheider-Treffpunkt und Party-Keller.
Viktor Seroneit hat sich um die Stadt Essen verdient gemacht
In Seroneits ebenso pittoresken wie gemütlichem Hinterhof-Ensemble im Südviertel, beim Warten auf Speis und Trank, beim Schieben durch die eng beieinanderstehende Menge, beim gemeinsamen Schwitzen (im Sommer) oder Frieren (im Winter) fielen die Grenzen zwischen Arm und Reich, Links und Rechts. Hier wurde bei Currywurst und Bier manche Idee geboren und manche ad Acta gelegt. Zwischendrin der Gastgeber, immer präsent, aber nie aufdringlich, der geborene Vermittler eben. „Ich habe einen persönlichen Freund verloren“, sagte gestern hörbar betroffen Oberbürgermeister Reinhard Paß. Und: „Die Stadt Essen ist um eine Persönlichkeit ärmer, die es wie keine andere vermocht hat, Menschen zusammenzubringen.“
Viktor Seroneit hatte neben dem Netzwerken, der Leidenschaft für Essen und das Ruhrgebiet, mindestens drei weitere große Passionen: Er engagierte sich intensiv für den Kinderschutz, war ein großer Jazz-Fan und machte selbst Musik - und er liebte die Plakatkunst. Erst vergangenen Donnerstag stellte er in seinem Hof das internationale Festival „Essen wird plakativer“ vor, durch das er das hier beheimatete Deutsche Plakat Museum stärker ins Rampenlicht zu rücken hoffte. Was Seroneit machte, das machte er mit Hingabe, mit absolutem Qualitätsbewusstsein und gleichzeitig hoher Improvisationsgabe.
Manchmal sagt man es so dahin, aber hier stimmt es wirklich: Viktor Seroneit, der als Flüchtlingskind an die Ruhr kam und rund um den Wasserturm am Steeler Berg aufwuchs, hat sich um die Stadt Essen in vielfältiger Weise verdient gemacht. Er wird nicht zu ersetzen sein, denn er passte als Persönlichkeit in kein Raster, in keine Schablone.
Die WAZ trauert mit seinen vielen, vielen Freunden, zu denen sich auch Gesellschafter und zahlreiche Journalisten unseres Hauses zählen durften. Unser tiefes Beileid gehört seiner Familie. Viktor Seroneit, das darf man sagen, wird in Essen unvergessen bleiben.