Schön, praktisch, informativ aber nicht unbedingt haltbar präsentiert sich der neue und erste umfassende „Kunstführer Zollverein“.

Trotz zahlloser Bücher über Zollverein ist immer noch eine echte Premiere möglich. Das versetzt selbst eingefleischte Essener und Fans des Welterbes in Staunen. Mit dem jetzt erschienenen „Kunstführer Zollverein“ schließt sich eine weitere Lücke im Literatur-Repertoire.

So stellt man erstmals kompakt wie komplett und benutzerfreundlich auf 97 Seiten nicht nur alle Kunstwerke auf dem Gebiet der früheren Zeche und Kokerei vor; sondern die Autoren Petra Becker, Delia Bösch, Thomas Buchardt und Fabian Lasarzik nehmen auch die ansässigen Künstler und deren Ateliers ins Visier.

Dass die koreanische Töpfermeisterin Young-Jae Lee die erste Künstlerin war, die sich mit der Keramischen Werkstatt Margaretenhöhe unmittelbar nach Stilllegung der Zeche 1986 dort ansiedelte, ist nach einem Vierteljahrhundert sicher ebensowenig präsent wie das unermüdliche Wirken des Essener Künstler-Urgestein Thomas Rother. Trifft man im „Kunstschacht“ des früheren WAZ-Redakteurs auf tonnenschwere Hinterlassenschaften des Bergbaus, zarte Papierarbeiten, Bilder und archaisch wirkende Skulpturen, so öffnet sich gegenüber bei Young-Jae Lee die Welt der kühl-klaren Form zeitloser Keramik-Kunst, die seit Jahren auch international gefragt ist. Dass neben fernöstlich anmutenden Services und Vasen auch Regionales nicht zu kurz kommt, zeigt einer der Renner der Kollektion, die flache Form für „Appeltaten“. Mit ihren Schalen und Objekten, die bereits in der Münchener Pinakothek der Moderne für Aufsehen sorgten oder zurzeit im Museum für ostasiatische Kunst Berlin zu sehen sind, tragen Lee und ihr Team zugleich auch den Namen Zollverein in alle Welt. Dass es im Winter endlich auch eine große Ausstellung der Keramischen Werkstatt in einer der spektakulären Hallen auf Zollverein geben wird, verrieten Jolanta Nölle von der Stiftung Zollverein und Young-Jae Lee jetzt am Rande der Buch-Präsentation.

Der Führer im Taschenformat lässt aber ebenso wenig die ARKA-Kulturwerkstatt in Halle 12 oder das Atelier in der ehemaligen Lesebandhalle außer Acht, in dem Thomas Mack seit 2001 arbeitet und seine Drucke, Zeichnungen oder Fotofrottagen zeigt.

Natürlich werden die großen Namen wie Ulrich Rückriem, Maria Nordman und Ilya und Emilia Kabakov, die allesamt zum Teil mit mehreren Arbeiten auf Zollverein vertreten umfassend gewürdigt. Auch die Lichtinstallation von Jonathan Speirs und Mark Major oder die Stahlskulpturen von Alf Lechner oder Ansgar Nierhoff finden nicht nur Erwähnung, sondern auch eine vorsichtige Interpretation durch Kunsthistorikerin Petra Becker.

Fazit: Schön, praktisch und bildreich. Nur wer mit dem Band durchs Gelände stapft, sollte vorsichtig sein. Beim geklebten Buchrücken gibt es bald fliegende Seiten.

Erschienen beim Klartext-Verlag, 9,95 Euro. Erhältlich ab sofort im Buchhandel und auf Zollverein.