Essen. Nach 46 Jahren schließt das Jugendzentrum Papestraße für immer. Am Samstag gibt es ab 15 Uhr eine Abschiedsfete für Kinder und Erwachsene. Betty Fischer-Tauchmann, Leiterin seit 1989, blickt zurück.
Immer, wenn Betty Fischer-Tauchmann an Herbert Grönemeyer denkt, denkt sie an Eiswürfel. Es war 1984, der Sänger hatte gerade sein Album „4630 Bochum“ veröffentlicht, die Platte mit dem Hit „Männer“. „Ich weiß noch, beim Konzert hier im Haus wollte er Eis in seinen Getränken haben“, erinnert sich Betty Fischer-Tauchmann. „Also zogen wir los und besorgten Eiswürfel. Bei McDonald’s am Hauptbahnhof bekamen wir welche.“
Seit 1984 arbeitet die Sozialpädagogin im Jugendzentrum Papestraße, seit 1989 leitet sie das Haus. Im Januar 1964 wurde es eröffnet, Stadt und Land investierten fünf Millionen DM „in der klaren Erkenntnis“, so schrieb Oberbürgermeister Nieswandt, „dass das Beste für unsere Jugend gerade gut genug ist.“
1987 erste Diskussionen zur Schließung des JZ Papestraße
1987 gibt es erste Schließungsdiskussionen, 2003 einen Ratsbeschluss zum Neubau, der aber nie verwirklicht wird. Stattdessen entschied man in den letzten Jahren: Das Jugendzentrum wird in der Weststadthalle neu konzipiert, als Jugendkulturzentrum. Wehmut? „Ja“, sagt Betty Fischer-Tauchmann. „Aber es macht auch Spaß, das Neue mitaufzubauen.“ Denn, bei allem Wandel in den Jahrzehnten – zentrale Aufgabe des Jugendzentrums war, ist und wird bleiben: „Jugendliche an Verantwortung heranzuführen und neugierig auf Kultur zu machen.“
Abschied vom JZE
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Als VHS für die Jugend entsteht das Zentrum an der Papestraße – man war damals erst mit 21 erwachsen, konnte vorher keine Kurse besuchen. Also versteht sich die Papestraße als zentrale Einrichtung der Weiterbildung für Leute ab 16 – es gibt Töpferkurse, politische Diskussionsrunden und Fragestunden zum Thema „Moderne Gestaltung partnerschaftlich bezogener Geschlechtlichkeit“. Es gibt Schreibwerkstätten, ein Teilnehmer heißt Christian Hülsmann (er wird später Stadtdirektor). Und ein Film-Fan namens Hans-Peter Hüster richtet eins der ersten kommunalen Kinos in Deutschland ein. Hüster betreibt heute die Lichtburg. Es gibt Kabarett-Tage, Tanztee – und dann kommen die Rocker und Mofa-Gangs, so genannte „Kreidler“.
"Holsterhauser Herbst" und Jazz
In den Siebzigern öffnet sich das Haus bewusst auch für diese Jugendlichen – es entsteht die „Mittwochs-Disco“, 1000 Leute kommen. Es entsteht der „Holsterhauser Herbst“, das Stadtteilfest. Der Kultur-Etat wird nach den finanziell desaströsen „Songtagen 1969“ – Zappa spielte damals in der Grugahalle – über Jahrzehnte knapp gehalten; trotzdem etabliert sich im Jugendzentrum erfolgreich eine Jazz-Reihe.
Dann, in den Achtzigern, wird ein Alkoholverbot eingeführt, bei Konzerten gibt es plötzlich Security-Personal. Als mit Betty Fischer-Tauchmann erstmals eine Frau die Leitung des Hauses übernimmt, fragen manche Jungs besorgt: „Dürfen wir jetzt nicht mehr kommen?“
Sie durften. Und dürfen. Und kommen hoffentlich auch künftig in die Weststadt.
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