Essen-Werden. Am Anfang war „Turnvater Jahn“. Was in der Berliner Wuhlheide zwecks Wehrertüchtigung deutscher Jünglinge im Abwehrkampf gegen Napoleons Besatzungstruppen begann, entwickelte sich dank sozialer Errungenschaften in der Bismarck-Ära zur Volksbewegung. Freizeit war im Kaiserreich ein für breite Schichten erstmals zu entdeckendes Phänomen.

Warum nicht Turnen? Diese Frage hielt 1886 eine Gruppe um Hermann Rosenthal für rein rhetorisch. Mit einer Reichsmark in der Kasse hebt sie am 6. November den Werdener Turnerbund aus der Taufe und setzt die Gründungsbewegung fort. Der WTB ging aus einer bereits existierenden Organisation, dem Bürgerturnverein, hervor.

Sport und Geselligkeit standen gleichberechtigt nebeneinander. Zwar formuliert der Verein das Ziel „die Glieder zu stärken, die Gesundheit des Körpers zu erhöhen und durch Zucht und Ordnung zu einem gesitteten Leben anzuhalten“, übrigens stets im Geiste vaterländischen Dienstes.

Glieder zu stärken

Aber Feste mit Umzügen, Schau- und Preiswettkämpfen, Bälle und Theateraufführungen prägen die Außendarstellung. Körperertüchtigung spielt sich in Ermangelung überdachter Sportstätten meist in Wirtshäusern statt.

Wenn es die Witterung zulässt, geht’s an die frische Luft. Feldturnen heißt die Trendsportart um 1900. „In diese Zeit fällt der erste Versuch, auch Mädchen fürs Turnen zu begeistern“, weiß Vereinschronist Siegfried Rhein.

Ein gewisser Volksschullehrer Gerhard sieht offenbar Handlungsbedarf, gibt es doch in allen 74 Vereinen des Turngaus Ruhr lediglich fünf Abteilungen für Sportlerinnen. „Gerhard ist mit seinem Vorstoß erst einmal gescheitert.“ Erst nach dem Ersten Weltkrieg gelingt die Übung; vielleicht, weil die neue Schwimmriege besondere Anziehungskraft entfaltet. Ab 1924 sind Kinder zugelassen.

Bis zum Vorabend des Weltenbrandes 1914 hatten sich die Mitgliederzahlen nicht spektakulär, aber kontinuierlich nach oben entwickelt. Einige traten sogar gegen den Ball. Doch Turner und Fußballer, das zeigen auch Chroniken benachbarter Vereine, halten es nur selten unter einem Dach miteinander aus. In der Zwischenkriegszeit kann der WTB Sportstätten nutzen, deren Standard heutigen Einrichtungen nahe kommt. Unter dem Gymnasium an der Grafenstraße wird gefochten, an der damaligen Kölner Straße, wo heute die Ludgerusschüler büffeln, finden Turner adäquate Bedingungen.

Gefochten und geturnt

Weil sie es mit dem Fuß nicht so haben, bearbeiten die Werdener Bälle mannschaftlich mit Hand und Faust. Als versierte Gastgeber überzeugen sie mit der Ausrichtung des Gauturn-, Sport- und Schwimmfestes im Jubiläumsjahr 1926. Neben dem Strandbad Löwental wird eine Weide am Bahnhof als Wettkampfstätte hergerichtet.

„Dann ist wieder furchtbarer Krieg“, so Siegfried Rhein in seinem Rückblick. Unter britischer Besatzung folgt ein unglückliches Intermezzo, der erzwungene Zusammenschluss von WTB, SV Werden 08 und des VfB. 1949 dann im Kolpinghaus konstituiert sich der Verein neu, gut 500 Sportbegeisterte sind mit dabei.

In der Folge trennen sich Abteilungen (Handball etwa oder Tischtennis) neue kommen hinzu. Zu den erfolgreichsten mausern sich die Schwimmer, die mit Weltmeister und Olympiasieger Christian Keller den am höchsten dekorierten WTB-Athleten aller Zeiten stellen. Unter dem amtierenden Vorsitzenden Ulrich Legel übernimmt der Verein mit aktuell 1600 Mitgliedern die Regie des Werdener Stadtbads. Das Sport- und Gesundheitszentrum ist nicht mehr wegzudenken. Allein Grund genug zum Feiern.