Essen. . Nikolai Tokarev und die Prager Symphoniker unter Jirí Kout tappten beim 7. Pro Arte-Konzert in der Philharmonie nicht hinein.
Nicht schon wieder – hätte man meinen können, als eine Stimme aus dem Off beim Pro Arte Konzert ohne Vorwarnung statt der angekündigten „Haydn-Variationen“ von Brahms plötzlich Smetanas „Die Moldau“ ankündigte. Und auch Dvoraks achte Sinfonie zählt nicht eben zu den überraschenden Ausgrabungen im Konzertbetrieb. Fragt man sich jedoch ernsthaft, wann es wirklich die letzte Live-Begegnung mit Smetanas wohl populärstem Stück gab, das sicher bei vielen schon im Musikunterricht zur ellenlangen Analyse herhalten musste, ist das vielleicht länger her als erwartet.
Mit den Prager Symphonikern unter Jirí Kout fand diese Tondichtung, in der der Tscheche so unnachahmlich raffinierte Stimmungsbilder mit folkloristischen Elementen anreicherte, sicher einen ihrer kompetentesten Gestalter. Aber auch in Dvoraks Sinfonie zeigten sich die Tschechen von ihrer besten Seite. Ein wundervoll weicher, teils dunkler Klang in den Streichern, der zuweilen an die alten Orchester des benachbarten Sachsen ließ. Fein austariertes, edles Holz und blitzsaubere Blechbläser, denen die makellose Solotrompete eine strahlende Klangkrone aufsetzte. Kurzum, ein Ensemble, das unter dem sparsamen und stets entspannten Dirigat Kouts die Klänge der Heimat mit internationalem Format gestaltete und dennoch nicht auf der Welle des Allerwelts-Sounds schwimmt. Da tappte man selbst bei Anton Dvoraks zugegebenem achten „Slawischen Tanz“ nicht in die gefährliche Falle der schmissigen Effekte.
Ereignis des Abends war sicherlich – wieder einmal - der junge Pianist Nikolai Tokarev. Dieses Mal nahm sich der talentierte und hörbar intelligente Russe Tschaikowskys zweites Klavierkonzert zur Brust. Dieses nur vermeintlich „kleinere“ G-Dur Werk, das von Anfang an im Schatten des ungleich populäreren b-Moll Konzerts steht, erwies sich in Tokarevs unprätentiöser aber stets souveräner Gestaltung als Höhepunkt des vorletzten Abends der Pro Arte Reihe der Saison. Bei aller Vollgriffigkeit transparent und klar strukturiert, rasante Arpeggien und fast grüblerische Kadenzen, die der 27-Jährige mit innerer Ruhe aus dem Kontext heraus entwickelte, zeigen einen Pianisten von Format und Tiefe. Dass Tokarev bei aller Virtuosität sich zuweilen vollkommen uneitel von Sologeige und Cello die solistische Schau stehlen lässt, unterstreicht seinen Zugang zu diesem Werk, in dem sich zuweilen weniger penetrant als im b-Moll Konzert das Klavier in den Vordergrund drängt. Jirí Kout und „seine“ Prager zeigten sich im klanggesättigten Dialog auf unbedingter Augenhöhe.
Letztes Pro Arte-Konzert der Saison: 23. Mai, 20 Uhr, Philharmonie. Lorin Maazel dirigiert das Philharmonia Orchestra London mit Mahlers 5. Sinfonie und Mendelssohns e-Moll Violinkonzert. Solistin: Arabella Steinbacher (Violine). Karten: Tel: 0201/81 22 200.