Essen-Werden. Zehn Mädchen im Alter von 14 oder 15 Jahren stehen vor dem Eingang des bunten Anhängers mit der steilen Treppe, auf dem zu lesen steht: „Aids bricht Kinderseelen“.
Heiner Ganser-Kerperin, missio-Referent im Bistum Essen, wartet auf sie im Eingangsraum des Busses. Dort gibt er letzte Instruktionen. Jede Schülerin erhält einen MP3-Player und kann dabei aussuchen, ob sie lieber der Geschichte des Jungen Charles aus Südafrika oder der des Mädchens Kajunga aus Uganda während des 25-Minütigen Rundgangs durch den LKW mit den vielen bebilderten und möblierten Räumen lauschen möchte. Charles hat durch Aids seinen besten Freund verloren, Kajunga hat Vater und Mutter an der Viruskrankheit sterben sehen.
Die meisten Mädchen entscheiden sich für Kajunga, so auch die 15-jährige Daniela. Gebannt folgt sie der Anweisung, in den ersten Raum des kleinen Rundgangs zu gehen, der Kajungas Schule in Uganda darstellt. Bilder von dunkelhäutigen Kindern an Holzbänken vor kahlen Mauern hängen an den Wänden der engen Buskabine, während Kajunga – natürlich auf Deutsch übersetzt – erzählt, wie leicht man in ihrem Land Aids bekommen kann, da bis vor wenigen Jahren schon die neun- bis zehnjährigen Mädchen nicht selten von den Männern in ihren eigenen Familien vergewaltigt wurden. Selbst vor den Lehrern konnten sie nicht sicher sein.
Starker Tobak. „Daher richtet sich unser Programm auch nicht an Jüngere, sondern erst an Schüler ab der neunten Klasse“, sagt Heiner Ganser-Kerperin.
Im nächsten Raum ein Boden voller Kieselsteine - man gerät unweigerlich ins Rutschen, wenn man den öffentlichen Marktplatz in einer ugandischen Stadt betritt. Von hier aus gelangt man in eine karge Hütte, eine Matratze ohne Bezug auf dem nackten Boden. Auf einem Tischchen an der Vorderwand, das ein abgewetzter Teppich bedeckt, sieht man eine Kiste mit Devotionalien, mit deren Hilfe sich Kajunga an die toten Eltern erinnert.
Aspirin als einziges
Medikament
In einer weiteren Kammer wird die unzureichende medizinische Versorgung in Uganda reflektiert. Da steht, in einem uralten Medikamentenregal, ein einziges Heilmittel, Aspirin. Durchschreitet man die angrenzende Tür, steht man plötzlich vor einem wohl gefüllten deutschen Medikamenten-Regal mit allerlei Arzneien gegen die Viruskrankheit. Und man wird sich bewusst, weshalb es in allein in Afrika-Südsahara 22,4 Millionen Menschen gibt, die an Aids erkrankt sind, wie es die mit blinkenden Leuchtdioden bestückten Plastik-Kontinente bereits im Eingangsbereich des Wagens drastisch vor Augen hielten.
Ebenso wie ein Raum voller Fotos von Menschen, jung und alt, die an Aids gestorben sind oder Freunde und Familienangehörige verloren haben. „Hier können die Schüler selbst kleine Zettel als Erinnerung an Verstorbene aus ihrem Kreis anbringen“, so der Missio-Beauftragte. Da wird es dann sehr persönlich, zum Beispiel, wo zu lesen steht: „Ich denke an meinen Vater, der vor drei Jahren an einem Herzinfarkt gestorben ist.“ Oder auch: „Ich denke an all die Menschen, die das Drama von Japan miterleben mussten.“
Zum Ende der Ausstellung kommt ein Computer-Voting zum Einsatz. Mit Wahl der Buchstaben A, B oder C kann jeder, der den Info-Parcours durchlaufen hat, selbst entscheiden, wie er sich gegen Aids schützen will.
A steht dabei für Enthaltsamkeit, B für Treue in der Beziehung, C für den Gebrauch von Kondomen. „Wichtig ist uns, dass sich die jungen Besucher selbst artikulieren können“, sagt Heiner Ganser-Kerperin angesichts der kleinen Reihe aus drei Laptops, vor denen wir im letzten Raum stehen. Daniela hat als persönliche Notiz hinein geschrieben: „Es ist echt schlimm, dass sich alle zwölf Sekunden ein Mensch auf der Welt mit Aids infiziert.“
Ein Auswertungsbildschirm, der von der Decke des Trucks hängt, wertet das Voting für die einzelnen Schulen aus. Mit Blick auf das Ergebnis, das nun mit den Buchstaben A, B und C auf dem Monitor zu laufen beginnt, meint der Missio-Mann: „An gemischten Schulen entscheiden sich generell mehr Schüler für Kondome als für Treue. Aber wir sind hier schließlich an einem reinen Mädchengymnasium – da ist es eher umgekehrt.“