Essen. . Nach Fukushima sucht man im Flächennutzungsplan nach neuen Standorten für Windkrafträder. Der Anteil der Windkraft am Energiemix soll bis zum Jahr 2020 ausgebaut werden. Höchste Zeit, dass sich auch in Essen etwas dreht, finden die Grünen.

Der Wind hat sich politisch gedreht seit dem Super-Gau in Fukushima. Die Landesregierung setzt auf erneuerbare Energien, allen voran auf Windkraft. Deren Anteil am Energiemix soll bis zum Jahr 2020 ausgebaut werden von derzeit drei auf 15 Prozent. Dass dieser Tage an der B 224 unweit der Stadtgrenze auf Velberter Gebiet mit dem Bau eines 100 Meter hohen Windrades begonnen wurde, passt ins Bild rot-grüner Energiepolitik und aktueller Befindlichkeiten. Sind die Rotorblätter, die sich bald über den Heidhauser Höhen drehen werden, nur ein Vorbote? Höchste Zeit, dass sich auch diesseits der Stadtgrenzen etwas dreht, finden die Essener Grünen. Nach der Osterpause wollen sie die Debatte um die Windkraft anfachen.

Genug Wind um Energie zu ernten

Weht da mehr als ein laues Lüftchen? Die Suche nach geeigneten Flächen gab 2005 vor der Aufstellung des Regionalen Flächennutzungsplanes (RFNP) nicht viel her. Übrig blieb lediglich das Koks- und Kohlelager zu beiden Seiten des Rhein-Herne-Kanals: ein 7,3 Hektar großes Areal, begrenzt durch die Straße Sturmshof in Karnap und durch die A 42 in Altenessen. Mit Windstärken zwischen 5,3 und 5,7 Meter pro Sekunde könnten Windräder dort genügend Energie „ernten“, windenergetisch seien die Bedingungen „gut“, so das Ergebnis des „Ecoda“-Umweltgutachtens, das die Stadt seinerzeit hatte erstellen lassen.

Dass sich jemand über ein Windrad echauffieren könnte in Sichtweite des RWE-Kraftwerkes samt Schornstein, wäre kaum zu erwarten. Wer sollte auch? Anwohner gibt es dort keine, abgesehen von ein paar Gewerbebetrieben.

Ausschlusskriterien für Windkraftanlagen sollen gelockert werden

Andere vom Gutachter ins Auge gefasste Flächen fielen nach dem Ausschlussprinzip durchs Rost. Nicht, dass dort keine steife Brise wehen würde. Im Gegenteil. Über der „Fischlaker Mark“ zum Beispiel oder über den „Ackertrassen in Schuir“ weht der Wind sogar noch etwas frischer. Beide Flächen schieden bei der Begutachtung jedoch aus mit Hinweis auf die historisch gewachsene „Kulturlandschaft Ruhrtal“ und ihre Funktion für Erholung, Klima und Landwirtschaft. Nur mit Abstrichen weniger bedeutend erschien dem Gutachter die Ackertrasse entlang der Stadtgrenze zu Bochum, die ebenfalls geprüft und verworfen wurde.

Dabei kann es bleiben, muss es aber nicht. Die Landesregierung ist jedenfalls fest entschlossen, die Ausschlusskriterien für Windkraftanlagen zu lockern. Von einem Mindestabstand von 1500 Metern zur nächsten Bebauung, den die noch gültige Fassung des Windkrafterlasses zum Schutz vor Lärm und Schattenwurf empfiehlt, ist in der Neufassung keine Rede mehr. Und auch Wald weist die Novelle nicht länger als „Tabuzone“ aus. Warum auch, heißt es im Umweltministerium, wo man vor allem an jene Waldflächen denkt, in denen der Orkan Kyrill 2007 eine Spur der Verwüstung hinterließ.

Über 100 Meter hinaus

Windräder wünscht sich die Landesregierung zwar eher entlang von Autobahnen oder Bahntrassen, gerne auch Anlagen, die über die bislang zulässigen 100 Meter hinaus in den Himmel ragen. „Wir brauchen nicht unbedingt mehr Flächen als bisher, sondern leistungsfähigere Anlagen“, so ein Sprecher.

Dass auf den Ruhrhöhen Windkraftanlagen sprießen könnten, mag unwahrscheinlich sein, ausgeschlossen aber ist es nicht. Zwar nennt das Baurecht das Landschaftsbild ausdrücklich als Kriterium, letztlich sei es eine Abwägungsfrage. Und Ästhetik spiele „nicht die erste Rolle“, heißt es im Ministerium, wo man Behördenchef Johannes Remmel von den Grünen so zitiert: „Auch Kulturlandschaften verändern sich“.

Remmels Parteifreunde vor Ort wollen die Debatte „intensiv führen“, kündigt Fraktionssprecherin Hiltrud Schmutzler-Jäger an, wohl wissend, dass in der eigenen Klientel mit Widerstand zu rechnen ist. „Wir können nicht nur rufen: abschalten, abschalten“, sagt die Grünen-Sprecherin in Anspielung auf die Atom-Debatte, und gleichzeitig gegen Windräder vor der Haustür sein. Die Windkraftanlage auf Velberter Gebiet hatten die Grünen übrigens abgelehnt. Das war vor Fukushima.