Das Benennen von Straßen ist eine hochpolitische Sache. Das gilt nicht nur für totalitäre Regime, auch in demokratischen Institutionen hat es sich eingebürgert, dass Parteien ihre jeweiligen Säulenheiligen meinen auf Straßenschildern verewigen zu müssen. Manchmal ist das okay, bei Doppelnamen mit 35 Buchstaben ist es „nur“ unpraktisch - und bisweilen ist es ärgerlich. Was allerdings die Grünen geritten hat, unter souveräner Missachtung historischer Tatsachen und in voller Kenntnis seiner Vita einen bis zuletzt unbelehrbaren Haus- und Hofpoeten des Stalinismus ehren zu wollen, bleibt ihr Geheimnis. Zur Erinnerung: Das ist diese Ideologie, in deren Namen gerade zu Lebzeiten des „Arbeiterdichters“ und Hans Marchwitza Andersdenkende und „Abweichler“ zu Millionen in Lagern und Gefängnissen ermordet wurden. Von einer Distanzierung Machwitzas, gar Reue ist nichts bekannt - ganz im Gegenteil. Und nebenbei bemerkt: Seine Agitprop-Bücher sind auch noch literarisch drittklassig.
Erstaunlich ist bei alldem, dass offenbar weder in der Bezirksvertretung noch in der Stadtverwaltung jemand solche faulen Vorschläge entlarven kann. Dass die Grünen die Biografie ihres Helden in den Sitzungen nur teilweise offenbarten - geschenkt. Aber eine einfache Internet-Recherche mitsamt der korrekten Beratung der Entscheidungsträger - so was sollte eine Stadtverwaltung schon noch beherrschen. Und zwar ohne dass erst ein Historiker eingreifen muss.
Frank Stenglein