Ihr Geburtshaus steht schon unter Denkmalschutz, nun erhält die frühere Oberbürgermeisterin Annette Jäger den Ehrenring der Stadt Essen - als erste Frau. Die Auszeichnung ist wirklich exklusiv, der Ring ist in 50 Jahren erst achtmal vergeben worden.
Der einzige noch lebende Träger des Ehrenrings der Stadt Essen ist Krupp-Legende Berthold Beitz. „Ich lese gerade die aktuelle Biographie“, sagt Annette Jäger. Über ihre eigenen Verdienste mag sie gar nicht sprechen: Da solle man andere fragen oder die Feierstunde am kommenden Mittwoch abwarten.
Aber erzählen, wie aus der Tochter eines Hausmeisters die spätere Essener Oberbürgermeisterin wurde, das kann sie schon. Und diese ganz persönliche Geschichte beginnt „in der Jugendhalle in Schonnebeck - da bin ich im Sommer 1937 geboren“. Eine Hausgeburt; die Jugendhalle war damals Arbeitsplatz des Vaters und Wohnsitz der Familie.
In der Jugendhalle kam sie zur Welt
Als das verfallene Gebäude Jahrzehnte später vor dem Abriss stand, setzte sich auch Annette Jäger für den Erhalt ein. Die Jugendhalle wurde gerettet, unter Denkmalschutz gestellt. „Natürlich bin ich zur Neueröffnung gegangen“. Eine Randnotiz im politischen Tagesgeschäft, aber typisch für das Leben einer Frau, die in Essen seit frühster Kindheit verwurzelt ist. Deren erste Erinnerungen an ihre Heimatstadt aus dem Krieg datieren. Da wohnte die Familie schon an der Weberstraße (heute Gerswidastraße) in der Innenstadt. „Ständig gab es Bombenangriffe, wir mussten oft in den Bunker.“
Annette Jägers Laufbahn
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Zwei Kriegsjahre verbrachte sie mit ihrer Mutter in der Steiermark, dann kehrten sie in die zerstörte Stadt zurück. Annette Jäger, die bei Kriegsende acht Jahre alt war, erinnert sich an Schuttberge auf der Limbecker Straße. „Wenn ich die Erdbebenbilder aus Japan sehe, steht mir das vor Augen.“ Schienen habe man verlegt, um den Schutt auf Loren abzutransportieren. „Ich hab die Trümmerfrauen malochen sehen!“
Dem RWE hält sie die Treue
Sie hat auch noch Rot-Weiss Essen erlebt, als der Verein ein Mythos war. „Als Kinder durften wir auf Lastwagen mit zu den Spielen fahren.“ Daran dachte sie, als sie als Oberbürgermeisterin wieder öfter im Stadion Platz nahm, mit zum Pokalfinale gegen Werder Bremen fuhr. Das war keine Amtspflicht: „Ich bin echter Fan.“
Ohnehin konnte sie später oft aus frühen Erfahrungen schöpfen. So hat sie nach der Mittleren Reife eine Ausbildung in der Stadtverwaltung gemacht, hat im Büro von Oberbürgermeister Horst Katzor gearbeitet und wechselte schließlich zu den Stadtwerken. Lernte also Verwaltung und Politik von der Pike auf kennen. Doch das war ja kein Masterplan einer jungen, ehrgeizigen Frau. Vielmehr hatte sie davon geträumt, Lehrerin zu werden, doch Schule und Studium kosteten Geld - als Angestellte verdiente sie welches. „Es war ein Riesenglück, eine Stelle zu haben.“
Was sie schon da umtrieb, war das Soziale. Geprägt durch den politischen Einsatz des Großvaters, ermutigt durch ihren Mann, der bei den Sozialdemokraten aktiv war, kam auch Jäger 1966 zu SPD. Zehn Jahre später wurde sie Ortsvereinsvorsitzende in Heisingen, ein Amt, das sie bis heute inne hat. Überhaupt ist sie treu in ihrem Engagement: Bei der Arbeiterwohlfahrt ist sie seit fast 40 Jahren Mitglied, der Kinderschutzbund hat sie zum Ehrenmitglied gemacht.
Ihr Bekenntnis zur Messe steht
Gewiss sind es solche Verdienste, für die sie nun den Ehrenring erhält. Vor allem aber dürfte sie für ihr wichtigstes Ehren-Amt gewürdigt werden: Ein Jahrzehnt - von 1989 bis 1999 - war sie Oberbürgermeisterin, und das war damals offiziell ein Nebenjob. „Ich war ja noch bei den Stadtwerken, und als Vertrauensfrau der Schwerbehinderten bin ich oft um sieben in die Betriebe gefahren, um mir die die Anliegen der Menschen anzuhören. Danach ging’s ins Rathaus, und ich nahm bis abends Termine wahr.“
Manche Woche habe 80 Stunden gehabt, und sie sei froh, dass ihr 1998 verstorbener Mann sie so unterstützt habe. Dabei hatte sie nicht einmal vorab sein Okay einholen können: Eigentlich sollte 1989 Peter Reuschenbach zum Oberbürgermeister gewählt werden, doch ihm verweigerten acht Ratsmitglieder der SPD die Stimme. Um einen CDU-OB zu verhindern, sprang Jäger ein - und wurde Oberbürgermeisterin. „Das war ein Sprung ins kalte Wasser!“ Sagt’s und fügt hinzu: „Ich bin wiedergewählt worden.“ Will heißen: Sie blieb nicht die Zufallskandidatin. Sie suchte als OB den Ausgleich, setzte sich für soziale Belange ein, stiftete die Städtepartnerschaften mit Tel Aviv und Nishni Novgorod; auch weil sie als Mädchen nach Sunderland hatte reisen dürfen. Weiche Themen? Nun, sie setzte auch schon einen Ausbau der Messe durch. Und so hofft sie, dass die Stadt auch 2011 ihr Bekenntnis zur Messe erneuert. Mehr mag sie zur Tagespolitik nicht sagen, dabei war sie noch bis 2009 Bürgermeisterin und ist bis heute als sachverständige Bürgerin aktiv. Kurzum: Heisingen ist ihr Zuhause, das Rathaus aber mindestens Zweitwohnsitz.
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