Essen.
10 000 Besucher erwartet Rot-Weiß Essen zum Stadtduell gegen ETB Schwarz-Weiß Essen an der Hafenstraße. Über ihre Erwartungen an das Derby und Erinnerungen an bessere Zeiten sprechen die Ex-Spieler Detlef Wiemers und Dieter Bast.
Am Samstag um 15 Uhr ist Derbyzeit an der Hafenstraße: 10 000 Besucher werden erwartet beim Stadt-Duell RWE gegen ETB. Dieses Spiel zieht immer, sogar in der 5. Liga. WAZ-Redakteur Marcus Schymiczek sprach mit zwei Essener Fußball-Veteranen, die gute Erinnerungen an bessere Zeiten für beide Vereine haben: 100 Spiele hat Detlef Wiemers von 1974 bis 1980 in der zweiten Liga Nord gemacht: erst für den ETB, dann für RWE. Sein Herz allerdings schlägt heute für den ETB. Dieter Bast dagegen ist ein Roter durch und durch: Bei RWE begann er an seinem 19. Geburtstag 1970 seine Bundesliga-Karriere. Bis zum Abstieg 1977 schoss er in 149 Spielen 29 Tore. Nach Stationen beim VfL Bochum und Bayer Leverkusen kehrte er 1986 zu RWE zurück und beendete dort drei Jahre später seine Fußballer-Laufbahn.
Herr Bast, Herr Wiemers, kein Derby ohne Tipp. Wie geht es diesmal aus?
Detlef Wiemers: Es wird knapp, ich hoffe mit einem glücklichen Ende für uns.
Dieter Bast: Ich sehe das genau so nur mit umgekehrtem Ausgang. 2:1 für RWE.
Haben Sie selbst Erinnerungen an ein Derby?
Bast: Wir haben jedes Jahr gegen einander gespielt, und wenn es nur ein Freundschaftsspiel war. Das waren immer Highlights. Das ist, wie wenn Dortmund auf Schalke trifft.
Wiemers: Ich erinnere mich noch gut an Ostern 1985, an das Oberligaspiel an der Hafenstraße vor 30 000 Zuschauern, als es um die Meisterschaft ging. Wir kamen als Tabellenführer, haben 1:0 geführt, hätten das 2:0 machen müssen. Leider haben wir 1:3 verloren.
Arbeiterverein gegen Lackschuhverein hieß es früher. Was ist davon geblieben?
Wiemers: Eigentlich war da nie etwas dran. Es war immer eine sportliche Rivalität, nie etwas anderes. Wir haben uns jedenfalls immer prima verstanden.
Bast: Ich komme ja aus Oberhausen und habe damals erst gar nicht verstanden, was damit gemeint war, Arbeiterverein gegen Lackschuhverein? Das sollte wohl heißen, bei RWE sind die Malocher, beim ETB eher die, die im Büro sitzen. Auf dem Platz waren wir sportliche Gegner. Nach dem Spiel haben wir beim Pumpen-Hannes zusammen gesessen und Bier getrunken.
Heute spielen beide Vereine in der 5. Liga.
Bast: Leider.
Wiemers: Eine Katastrophe.
Was ist schief gelaufen?
Bast: Seit den 70er Jahren ging es bei RWE ja bergab. Mal hat die Mannschaft versagt, mal die Führungsetage. Dass der Verein schließlich in die Insolvenz gegangen ist, war das Beste, was passieren konnte. Aus eigener Kraft hätte RWE die Schulden nie abbauen können. Jetzt kann man nur hoffen, dass es besser wird, dass man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat.
Wiemers: Die Entwicklung in beiden Vereinen ist ja parallel verlaufen. Natürlich hat Essen einen Strukturwandel hinter sich, dadurch ist auch wirtschaftliche Unterstützung verloren gegangen. Heute finden wir uns in der 5. Liga wieder. Meiner Meinung nach hat das auch etwas damit zu tun, dass in dieser Stadt die Politik, die Wirtschaft und die handelnden Personen in den Vereinen nicht begriffen haben, dass ein Fußballverein für eine Stadt Werbung ist, dass eine funktionierende Sportumgebung auch ein Standortvorteil ist. Wir haben in Essen viele Konzerne. Auch da wird in den führenden Etagen gefragt werden: Was können meine Kinder hier tun, was meine Frau, was meine leitenden Mitarbeiter?
Bast: Man muss aber auch ehrlich sein und sagen, die Wirtschaft hat sich engagiert. Als wir zuletzt in der 2. Liga gespielt haben, war Geld da. Leider hat der Vorstand es damals nicht verstanden, dieses Geld sinnvoll einzusetzen. Heute ist RWE auf einem guten Weg mit einer jungen Truppe. Wenn gesehen wird, bei RWE leisten sie wieder gute Arbeit, werden sich auch Sponsoren engagieren. Dann geht es hoffentlich wieder aufwärts.
Wiemers: Jeder will aufsteigen, in die 4., 3. oder in die 2. Liga. Das zu sagen ist das eine, es zu planen etwas anderes. Es muss eine Philosophie dahinter stehen, die kommuniziert wird, damit ein positives Klima geschaffen wird in der Bevölkerung. Wir haben eine wunderbare Kulturlandschaft, eine funktionierende Sportlandschaft auch dazu. Ich vermisse die Idee, die dahinter stehen sollte, nämlich Essen wieder sportlich interessant zu machen. Dass das in dieser Stadt nicht gesehen wird, kann ich nicht nachvollziehen. Wir haben eine Wirtschaftsförderungsgesellschaft. Auch diese Leute könnten sich mal rühren.
Bei der Stadt und bei RWE setzen sie auf das neue Stadion.Werden Sie als Schwarz-Weißer da nicht neidisch?
Wiemers: Was das Stadion angeht, bin ich nicht Schwarz-Weißer oder Rot-Weißer, da bin ich Fußballer. Wer spielt schon gerne in einer Ruine? Das Georg-Melches-Stadion ist schlecht für das Renommee dieser Stadt. Nein, da gibt es keinen Neid. Da gibt es nur das eine: Ein Verein muss nach oben, möglichst beide. Die Alternative wäre: Man macht aus beiden Vereinen einen und setzt sich höhere Ziele.
Eine Fusion? Ist das realistisch.
Bast: Aus meiner Sicht nicht. Man hat schon in den 70er/80er Jahren gesagt, es wäre vielleicht sinnvoll aus beiden Vereinen einen zu machen und das Gruga-Stadion zu einem richtigen Fußballstadion auszubauen…
Wiemers: …da stehen jetzt Häuser…
Bast: Ich glaub nicht, dass die Rot-Weiß-Fans auf RWE verzichten würden.
Die Tradition ist im Weg?
Wiemers: Die Tradition ist ein Pfund. Damals scheiterte die Kooperation an den Mitgliedern. Es war angedacht, dass der ETB die Jugendlichen ausbildet und dem Seniorpartner RWE die Talente zuführt. Warum nicht? Irgendwann muss man aus einer Situation das Beste machen. Wir leben doch in einer Zeit mit Twitter und Facebook, in der sich die Dinge sehr schnell verändern. Für mich gibt es nur einen vernünftigen Weg, wenn man den Sport in dieser Stadt nach vorne bringen will: einen Verein hier in Essen. Wie auch immer der dann heißen mag.