Essen. Die Bezirksregierung verlangt schleunigst ein Bäderkonzept von Essen - und hält so lange den Daumen auf den Investitionen. Statt wie erhofft 28 Millionen Euro kann die Stadt vorerst nur sieben Millionen Euro ausgeben. Das trifft nicht nur den Sport.
„Hesse ist überall.“ Der Slogan aus dem für die SPD so erfolgreichen Kommunalwahlkampf 2009 wird für Essens Sozialdemokraten zum politischen Bumerang. Denn die SPD hat auf bittere Weise Recht behalten: Nicht nur ein Schwimmbad steht auf dem Spiel. Plötzlich geht es um Geld für Schulen, Kindertagesstätten oder Kultureinrichtungen. Nicht anders ist jene Verfügung zum Haushalt zu verstehen, die Regierungspräsidentin Anne Lütkes Oberbürgermeister Reinhard Paß jetzt persönlich in die Hand drückte.
Als die Chefin der Kommunalaufsicht sich für vergangenen Freitag in Essen ankündigte, gingen sie im Rathaus noch von einem höflichen Antrittsbesuch aus. Tags zuvor sickerte aus Düsseldorf aber bereits durch, „dass da was kommen könnte“. Wie wahr. Das Schreiben, das Lütkes mitbrachte, hat es in sich: Die Bezirksregierung gibt bis auf weiteres nur ein Viertel des von der Stadt für Investitionen beantragten Kreditrahmens frei. Statt wie erhofft 28 Millionen Euro kann die Stadt vorerst nur sieben Millionen Euro ausgeben.
Mit der Kreditermächtigung verbindet Lütkes eine Bedingung: Erst wenn der Bezirksregierung endlich ein schlüssiges Bäderkonzept vorliegt, sollen auch die restlichen Millionen fließen. So lange hält Düsseldorf den Daumen drauf. Wohl gemerkt, auf Investitionen in allen Bereichen. Laufende Bauvorhaben seien zwar nicht betroffen, bei allen übrigen Vorhaben könne es aber zu Verzögerungen kommen, heißt es dazu aus dem Baudezernat.
Während die Finanzverwaltung die so genannte Viertelgenehmigung durch die Bezirksregierung gestern als durchaus übliches Verfahren einstufte, wurde Stadtkämmerer Lars-Martin Klieve deutlicher: „Der Ball liegt jetzt beim Sport.“ Damit rächt sich endgültig, dass SPD, FDP und Linke nach der Kommunalwahl das Sparpaket wieder aufschnürten, in dem sie den Ratsbeschluss zur Schließung des Dellwiger Freibades „Hesse“ zurücknahmen, ohne dass die Politik bis heute eine schlüssige Antwort darauf gegeben hat, wie die Sport- und Bäderbetriebe denn ihre Betriebskosten senken sollen. Stattdessen beschloss der Rat erst im Januar dieses Jahres einen um 2,3 Millionen Euro unterfinanzierten Wirtschaftsplan; über die Lücke im Etat verlor die Politik nicht viele Worte.
Machbarkeitsstudie für Wüstenhöfer Straße
Nun steigt der Druck im Kessel. Und wie. Bis spätestens Anfang März will die Sportverwaltung der Politik das geforderte Bäderkonzept vorlegen. Dies kündigte Sportdezernent Andreas Bomheuer gestern im Sportausschuss an. Laut Bomheuer geht es um die komplette Bäderlandschaft im Westen der Stadt, also nicht nur um „Hesse“ oder ein Ersatzbad im Nordwesten, sondern um das Hauptbad. Bomheuer will „verschiedene Szenarien“ vorstellen, wobei sich die Frage stellt, auf welcher Grundlage die Politik denn entscheiden soll. Mit detaillierten Investitionskosten sei nicht zu rechnen.
So muss Essen sparen
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Für den Standort an der Wüstenhöfer Straße - als Alternative zu „Hesse“ - wird die Verwaltung eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben. Das Gelsenkirchener Ingenieurbüro Scheibenpflug soll prüfen, was auf dem Gelände möglich wäre. Für die SPD kritisierte Rainer Marschan, Vorsitzender des Planungsausschusses, dass nicht auch andere potenzielle Standorte in die Studie miteinbezogen werden. In wie weit genügend Muße bliebe, sich detailliert mit weiteren Alternativen auseinanderzusetzen, bleibt angesichts des Zeitdrucks durch die Bezirksregierung fraglich. Der Gutachter habe allerdings zugesagt, Entwürfe nach dem Baukastenprinzip vorzulegen, die sich auf andere Flächen übertragen ließen, so Bomheuer. Man darf gespannt sein.
Stadt muss sich von marodem Hauptbad verabschieden
So viel deutet sich an: Von dem maroden Hauptbad wird sich die Stadt verabschieden müssen. Die Investitionskosten werden vorsichtig auf 15 Millionen Euro geschätzt, dürften laut Verwaltung aber tatsächlich weit darüber liegen wie die Erfahrungen bei der Sanierung des Nordostbades zeige. Sollte das Hauptbad in sich zusammenbrechen, wie es Wolfgang Rohrberg, Geschäftsführer des Essener Sportbundes (Espo), gestern drastisch formulierte, „dann legen wir den Schwimmsport trocken“. Rohrberg vergaß nicht auf die aktuellen Erfolge der Essener Schwimmer bei den Deutschen Meisterschaften hinzuweisen.
Für die Politik geht es darum, eine Lösung zu finden, die sowohl den Interessen der Leistungsschwimmer gerecht wird als auch dem Schwimmuntericht der Schulen. Die Bäderverwaltung tendiert augenscheinlich in den Ausbau des Schwimmzentrums Rüttenscheid; ein Gutachten bezifferte die Kosten auf sieben Millionen Euro. Ein Ausbau des Grugabades zum Ganzjahresbad, von den Grünen im Sportausschuss in Erinnerung gebracht, käme hingegen mit geschätzten 15 Millionen deutlich teurer. Und: Die Betriebskosten würden nicht sinken, sondern weiter steigen, wie die Sport- und Bäderbetriebe zu bedenken geben. Und das wäre angesichts der Düsseldorfer Haushaltsverfügung doch ein Schlag ins Wasser.
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