Essen.. „Wo das geht, geht alles“. Auf einer Papiertüte, die über Posterstapeln steht, ist der Kulturhauptstadt-Slogan noch zu lesen. Dabei geht bei der Ruhr.2010 nichts mehr – am Freitag hat der Ausverkauf bei einem Flohmarkt auf Zollverein begonnen.
„Wo das geht, geht alles“. Auf einer Papiertüte, die über Posterstapeln steht, ist der Kulturhauptstadt-Slogan noch zu lesen. Dabei müsste er längst abgewandelt sein, müsste „ging“ das „geht“ ersetzen. Das Kulturhauptstadtjahr ist passé und auf Flohmarkttischen stapeln sich nun die Reste.
Poster und Postkarten und Aufkleber werden verschenkt, Kulis sind Mitnahmeartikel, der Rest kommt „gepunktet“ auf Tische und in Regale. Gelber Punkt gleich 30 Euro, dafür gibt’s etwa ein Ikea-Büroregal. Broschüren kriegt man für 50 Cent, die Computer aus den Büros der in Auflösung befindlichen Ruhr.2010-GmbH schlagen mit 130 bis 150 Euro zu Buche - den Flachbildschirm gibt’s gratis dazu. Das klingt ein wenig nach „Alles muss raus“ und beschreibt die Situation aufs Beste.
Mikrowelle und Kaffee-Geschirr
Dabei: Hat aus dieser Tasse Fritz Pleitgen getrunken, hat Kultur-Dezernent (a.D.) Oliver Scheytt mit diesem Kaffee-Service Marke Thomas seine Gäste bewirtet? Egal eigentlich, nun können es Andenkenjäger für ein paar Euro aus Halle V tragen. Ein trefflicher Ort für den Abgesang auf ein Jahr mit vielen Höhepunkten. Auf Zollverein gab’s das Auftaktfeuerwerk, froren Bundespräsident Horst Köhler (auch a.D.) und Herbert Grönemeyer zur Eröffnungsfeier in Schnee und Regen. Nun der Ausverkauf, der den Kreis der Veranstaltungsreigen schließt.
Schon ein wenig traurig, so durch die Hallen-Reihen zu schlendern. Aufkleber gibt’s von den Schachtzeichen. Sie erinnern sich? Die vielen gelben Riesenballons, die zumindest ansatzweise ahnen machten, warum die Region von „Zechenkultur“ spricht. Ein Plakat vom „Day of Song“ liegt zwischen den Posterstapeln. Auch so ein Highlight, ein Moment, in dem das Ruhrgebiet stimmlich eins war. Und da liegen Bücher vom Stillleben. „Ein Tag wie noch nie“, ist der Bildband betitelt. Doch, doch, es gab bereits Stillstand auf der A 40, irgendwie läuft es ja täglich zäh auf der Schnellstraße, aber nie so friedlich, so einträchtig, so fröhlich.
Im Angebot: Erinnerungsstücke
Flohmarkt für RUHR.2010-Andenken
Eigentlich sind es nicht Schnäppchen, die hier über die Bierzelt-Tische (A 40-Requisiten übrigens) wandern. Erinnerungen hat die Ruhr.2010 im Angebot. „Wir könnten das auch irgendwo einlagern und verstauben lassen. Aber das kostet auch Geld. Da ist es doch besser, wenn wir es verkaufen an Leute, die es gern besitzen würden als Erinnerungsstück“, sagt denn auch Clemens Baier, der in letzter Sekunde, kurz, bevor er die Lichter ausmachen darf, zum Pressesprecher wurde.
Weiter geht’s durch die Reihen. Regencapes liegen da in vielen Farben, die zur Einweihungsfeier das Publikum wie die Landkarte im Kulturhauptstadt-Logo aussehen ließen. Kostüme der Tänzer gibt’s zum Schnäppchenpreis, die Mikro-Welle aus der Büro-Küche dürfen Sie billig erstehen und die Schreibtischlampen sowieso. Ein Blick in die Notfall-Rucksäcke der Volunteers macht schmunzeln: Damenbinden liegen darin. Soll nur keiner sagen, die Organisation hätte nicht auch sehr menschliche Bedürfnisse im Blick gehabt.
Volunteers wickeln ab
Wer nicht zur Eröffnungsfeier geladen war, kann sich zumindest nachträglich den Anschein des V.I.P.s kaufen: Die Umhängebändchen für Gäste sind im Angebot, ebenso die der Sponsoren des Stilllebens. Organisiert wird der Ausverkauf neben den wenigen verbliebenen Ruhr.2010-Mitarbeitern übrigens von Volunteers. Die hatten die Aktionen bereits übers Jahr begleitet. Nun weisen sie nicht ehrenamtlich auf der Autobahn den Weg zum nächsten Dixie-Klo, sie wickeln ab. Packen Poster und Bücher, die bis vor kurzem in einer Frohnhauser Halle lagerten, auf die Tische und kleben Punkte. „Nur ein Job“, sagt eine Dame, die schon bei anderen Aktionen dabei war und zuckt die Achseln. Besonders traurig sei sie über das Ende nicht und räumt nun eine echte Rarität in den Gang.
Kein Feilschen beim Kulturhauptstadt-Trödel
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Mit Bannern zur Kulturhauptstadt hat Anna Pischel Würfel-Hocker verkleidet. Sieht aus wie Lkw-Plane und ist eher etwas für praktisch denkende denn für ästhetisch veranlagte Einkäufer. Feilschen übrigens ist ausgeschlossen. Gezahlt wird nach der Punkte-Preisliste. Da gibt’s keinen Verhandlungsspielraum. Also eher ein Ausverkauf, denn ein Flohmarkt, wie die Ruhr.2010-Macher werben, aber egal. Andenkenjäger kommen in jedem Fall auf ihre Kosten. Und wer gar kein Andenken will? Kann immerhin noch auf den letzten Metern Teil einer Kulturhauptstadt-Veranstaltung werden, oder sein Büro mit Praktischem bestücken. Druckerpatronen, Kulis, Blöcke. Sie wissen schon, alles muss raus.
Und was bleibt nun vom Kulturhauptstadtjahr? Auch dazu findet sich ein - wenngleich in diesem Zusammenhang leicht pathetischer - Posterspruch. Ganz so, als hätten die Ruhr.2010-Macher geahnt, dass sie mal einer zum Thema Nachhaltigkeit befragen wird. Auf dem Poster also steht:
„Es ist deine Stadt.
Es ist deine Metropole.
Es liegt in deiner Hand.