Essen-Rüttenscheid. 50 Einsätze in zehn Jahren: Hans-Dirk Halbfell aus Essen ist als Gastronomie-Experte ehrenamtlich in Osteuropa unterwegs und hilft, Restaurants zu verbessern.
Hans-Dirk Halbfell reist gerne in der Welt herum. „Ich hatte schon immer brennende Füße“, sagt der 66-jährige Rentner. Der ehemalige Koch und Betriebswirt ist sozusagen der Christian Rach aus Rüttenscheid. Während Rach im TV-Programm von RTL deutsche Küchen umkrempelt, hat Halbfell seinen Schwerpunkt in Osteuropa, war unter anderem in Russland, der Ukraine und Usbekistan. Er ist ein Senior-Experte, einer von 9000 motivierten Senioren, die im Ruhestand noch ehrenamtlich aktiv werden wollen. Er blickt zurück auf 50 Einsätze in zehn Jahren.
Halbfell brachte den Russen bei, dass es neben Salz und schwarzem Pfeffer auch andere Gewürze gab und wie sie in technisch schlecht ausgerüsteten Küchen das Maximum an Geschmack auf die Teller zaubern können. „Vor allem Kantinen sind dort ein ganz schlimmes Kapitel. Da gibt es ganz scheußlichen Fraß“, berichtet Halbfell.
Abwechslungsreiches Leben
Er sitzt im rot-weiß-karierten Anzug mit edler Krawatte in einer Bar am Rüttenscheider Stern und nippt an seinem Milchkaffee. Nur wenige hundert Meter entfernt – in der Annastraße – war er in den 1970er-Jahren Produktionsleiter der elterlichen Feinkostindustrie HEIFA, heute wohnt er mit seiner Frau in der Franziskastraße.
Dass Halbfell ruhig in Essen herumsitzt, kommt selten vor. Angefangen hat er seine Karriere in der Gastronomie („Ich hab’ schon immer gern gebrutzelt.“) zwar 1960 auch in Essen, in der damaligen Nobeladresse „Hotel Kaiserhof“, doch weitere Stationen führten ihn etwa ins Luxus-Hotel Kempinski oder als Soßenspezialist ins Stockholmer Regierungsviertel. Von Pforzheim aus beriet er Spielkasinos mit bayerischer Küche in Las Vegas. Dieses Leben ist vollgespickt mit weiteren Aufgaben und Orten; machen wir es kurz: Halbfell ist und war ein rastloser Mensch – nun als Senior-Experte.
„Gebauchpinselt“
Warum kommt er nicht einfach mal zur Ruhe? Es geht ihm um ehrenamtliche Hilfe und Abwechslung. „Wenn ich zu lange am gleichen Ort bin, trockne ich aus, dann werde ich wahnsinnig.“ Nicht zuletzt geht es auch um das Gefühl, gebraucht zu werden. „Durch meine Einsätze fühle ich mich geehrt.“ In der Ukraine hält er Vorlesungen für Gastronomie-Studenten, kocht vor, holt sie nach vorne, lässt abschmecken. Trotz Sprachbarrieren kommt er gut klar mit den jungen Kochinteressierten, „von denen es in Deutschland zu wenig gibt“. „Die hängen an meinen Lippen. In meinem Alter bekomme ich in Deutschland nur sehr schwer Anerkennung.“ Er sei zufrieden, „gebauchpinselt“.
Zwei bis vier Wochen dauert ein Einsatz, von morgens bis manchmal spät abends. Wenn er in Betrieben vor Ort ist, muss er anfangs behutsam vorgehen und dem Personal verklickern: „Ich will keine Traditionen zerstören. Die Nationalgerichte können eure Mamas und Babuschkas besser kochen als ich.“ Manchmal reichen schon kleine Tricks, um ein Lokal aufzupäppeln. Oder besondere Hingucker: eine Schweinehinterkeule, „vom Popo bis zum Knie“, acht bis zwölf Kilo schwer und im Ofen gebraten. Wenn die im Restaurant in Buffet-Form serviert würde, frisch geschnitten, wären die Russen begeistert.
Die Russen lieben den Rüttenscheider
Halbfell ist in Russland ein kleiner Star, kochte in Fernsehsendungen, war in Zeitungen und im Radio. Die Russen lieben den Deutschen, der mit roter Kappe und viel Klunker um seinen Hals (Kochmedaillen) klimpernd durch die Küche marschiert. Fünf Kilos wiegt „mein Karnevalskostüm“, spottet er über sich selbst. „Aber die Russen fahren da voll drauf ab.“
Er hofft, irgendwann in Sibirien zufrieden tot umzufallen. Mit einem Schneebesen in der Hand, sagt er und lacht. Ruhe ist seine Sache nicht. Er träumt noch davon, als Senior-Experte nach China zu reisen..