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Im Recover Fight Club an der Max-Keith-Straße sind 90 Prozent der Kunden Geschäftsleute. Die können sich beim Boxen zwar kein blaues Auge leisten, lassen sich dafür aber gern anbrüllen. Nicht jeder hat dort Zutritt, ein Schweinehund erst recht nicht.
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Seilchen springen zum Aufwärmen. Das kennt man ja noch vom Pausenhof. Doch den unbefangenen Kindheitserinnerungen folgt schnell der erste Schweiß auf der Stirn. Ein paar Minuten später geht es abwärts, Liegestütze stehen auf dem Programm. Der Pudding in den Armen protestiert. Trainer Willi Braun brüllt „Hintern runter!“ und seine Schützlinge gehorchen. Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, endlich die ersten Schläge gegen den Sandsack. „Haut ordentlich zu, solche Mädchenschläge will ich nicht mehr sehen!“ Willi kennt keine Gnade. Das Box-Training im Recover Fight Club an der Max-Keith-Straße ist nichts für zart besaitete Gemüter. Ein Großteil der rund 200 Mitglieder sind Geschäftsleute, Anwälte, Ärzte. Und sie alle lassen sich gerne anbrüllen.
„Dein Schweinehund kann mich mal“, steht auf einem großen Plakat direkt am Eingang des Clubs, den Fitnesstrainer Andreas Büdeker 2008 gemeinsam mit seiner Frau Sabine im Alexanderpark eröffnete. Der 47-Jährige aus Werden wurde unter anderem durch die Kabel1-Abspeck-Show „The Biggest Looser“ als „Drill-Instructor“ des deutschen Fernsehens bekannt. Sein „Baby“ aber sei der Club, den Büdeker in Eigenarbeit ganz im Stil des legendären amerikanischen „Gleason’s“-Boxclubs aufbaute, in dem schon Muhammad Ali trainierte.
„Boxen ist nicht nur draufhauen“
In seiner Art sei der Club in Deutschland einzigartig, sagt Büdeker: In die Jahre gekommene Boxposter von Rocky Balboa, in der Mitte des Raumes ein riesiger Ring, ein nostalgischer Cola-Automat vom Trödel, alte Boxhandschuhe, die von der Decke hängen: Wer hier boxt, der fühlt sich für einen kurzen Moment tatsächlich so wie Muhammad Ali oder das „Million Dollar Baby“ aus Clint Eastwoods Film von 2004. Dabei ist das Training hochprofessionell. An Büdekers Seite trainieren fünf weitere Profis, etwa der russische Champion Alexander Müller und Kickbox-Europameister Tiran Mkrtschjan. Frau Sabine Büdeker bildet eine weitere Säule des Clubs, die Ernährungsberatung. Dabei ist auch sie „süchtig“ nach dem Gefühl im Ring und trainiert zwei bis drei Mal die Woche - gerne auch mit ihrem Mann.
Doch nicht jeder kann Mitglied werden, wie Büdeker betont. „Wir wollen hier nur Leute, die ernsthaft an sich arbeiten möchten. Boxen ist nicht nur Draufhauen, sondern Ehrgeiz und Willensstärke“, sagt Büdeker. Sparring oder Kämpfe gibt es nur auf ausdrücklichen Wunsch, ein blaues Auge kann sich hier kaum jemand erlauben. Das erklärt auch die gute Mischung im Club. Maximal zwölf Leute trainieren pro Kurs. Dabei sind Männer und Frauen, Anfänger und Fortgeschrittene bunt gemischt. 90 Prozent der Kunden sind Unternehmer, schätzt Büdeker. Denn vom Boxen profitiere nicht nur der Körper. „Man lernt, wieder aufzustehen, wenn man schon am Boden liegt“, ist der 48-Jährige Motivationscoach überzeugt.
Auch er arbeitete sich quasi aus dem Nichts hoch. „Für meine erste Fitnessstunde damals in Werden habe ich fünf Mark bekommen. Ich habe zu Beginn nur ein paar Frauen trainiert und es wurden immer mehr“, sagt Büdeker, der auch schon als Personenschützer gearbeitet hat. Demnächst sei er wieder im Fernsehen zu sehen, in der Doku-Reihe „Schluss mit Hotel Mama“. Sagt’s und dreht „Gonna fly now“, die Titelmelodie von Rocky, laut auf. Ein bisschen Show muss schließlich sein.