Essen. .

Das Thema ist traurig, die Arbeit beglückt sie dennoch. Sagen die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Kinderpalliativnetzwerkes in Essen, die schwer kranke Kinder und ihre Familien begleiten.

Gerda Arafa-Kielmann hat Freundschaft geschlossen mit einem kleinen Jungen, drei Jahre alt ist er und es ist ungewiss, ob er noch drei weitere Jahre haben wird. Das klingt nach dem Anfang einer traurigen Geschichte - und ist genau das Gegenteil. Die 60-Jährige arbeitet als Ehrenamtliche im Kinderpalliativnetzwerk, das Familien mit schwer kranken Kindern betreut. Seit August geht sie mit ihrem Schützling in den Kindergarten: „Es ist toll! Er benennt jetzt die Farben, fährt Bobbycar, klettert Treppen hoch und runter, probiert alles aus.“

Keine große Sache? Für diesen Jungen schon. Er leidet unter einer schlimmen Erbkrankheit, sein Darm arbeitet nicht, seit seiner Geburt wird er künstlich ernährt. Ohne regelmäßige Infusionen würde er binnen einer Stunde austrocknen, weil alle Flüssigkeit durch ihn hindurchläuft. Er muss darum alle zwei Stunden gewickelt werden - seine Eltern schlafen nur umschichtig. Als Gerda Arafa-Kielmann den Kleinen im Mai 2009 kennenlernte, konnte er nicht laufen, seine Gehversuche gingen mit Knochenbrüchen einher. „Aber er steckt alles weg!“

Noch immer hinke er der Entwicklung von Gleichaltrigen hinterher, doch Arafa-Kielmann blickt auf die Fortschritte. Bis ein Integrationshelfer gefunden ist, geht sie mit in den Kindergarten. „Ich trage einen Rucksack mit zwei Geräten und zwei Infusionsflaschen und bin durch eine Schnur mit dem Kleinen verbunden.“ Und nicht nur deswegen sagt sie, „dass wir sehr zusammengewachsen sind“.

„Sie tröstet sich, dass er ein Engel wird“

Auch mit den Eltern verbindet sie ein enges Verhältnis. Nicht nur weil sie die Familie entlastet, sondern auch weil sie deren Sohn als fröhliches Kind sieht, „das alle Herzen gewinnt“ - und nicht als bemitleidenswerten Patienten. Viele Stunden spricht sie mit der jungen Mutter, die schwankt zwischen der Hoffnung, ihren Sohn eines Tages einschulen zu können, und der Angst, ihn bald sterben zu sehen. „Sie tröstet sich damit, dass er ein Engel wird.“

Gerda Arafa-Kielmann hat zwei erwachsene Kinder, sie ist Kinderkrankenschwester und sie hat ihren Ehemann begleitet, als der an Leukämie gestorben ist. Kinder, Krankheit, Sterben - sie wusste, worauf sie sich einließ, und sie verschließt auch jetzt nicht die Augen vor dem möglichen Tod des Jungen. „Bis dahin genießen wir jeden Tag, an dem er lacht und glücklich ist.“

Man könne die Arbeit der Ehrenamtlichen nicht hoch genug einschätzen, sagt Wilma Neuwirth vom Kinderpalliativnetzwerk: „Sie entlasten die Familien, helfen ihnen mit der Pflege der Kinder und den Sorgen um sie zurecht zu kommen.“ Außerdem lindern sie die soziale Isolation, in die manche Familie gerät, in der sich lange alles um ein krankes Kind dreht. „Selbst die gesunden Geschwisterkinder bleiben häufig auf der Strecke“, ergänzt Andrea Bott vom Förderverein des Netzwerkes.

Auch da helfen Ehrenamtliche wie Jürgen Bordt. Seit August kümmert sich der pensionierte Schulrat um einen 13-Jährigen. Der Junge ist das älteste von drei Geschwistern, das Jüngste ist schwer krank. „Da ist die Aufmerksamkeit der Mutter natürlich gebunden“, sagt Bordt. Seine Aufmerksamkeit aber gilt dem Jungen, dem er mehr sein will, als ein Nachhilfelehrer. Dabei helfe er schon, wenn es in der Schule hapere; und als der Große eine tolle Arbeit heimbrachte, habe das der ganzen Familie viel Auftrieb gegeben.

Eine gewisse Behutsamkeit gehöre dazu, „das Vertrauen einer fremden Familie zu gewinnen“. Doch der 67-jährige Bordt fühlt sich durch den halbjährigen Kurs, an dem alle Ehrenamtlichen teilnehmen, gut vorbereitet. Einmal die Woche besuche er den Jungen, manchmal werden es auch drei, vier Besuche, je nachdem was anstehe. Bordt will kein Aufheben machen von seinem Engagement; er wolle halt ein „verlässlicher Begleiter“ der Familie sein. Und das ist viel.