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Tattoos haftet immer weniger ein „Schmuddel-Image“ an. Das ist auch Menschen wie Brambilla Bachmann zu verdanken, die ihr Handwerk als Kunst versteht. Bis zu einem Jahr warten die Kunden des Studios „Lebenslänglich“ auf einen Termin.

„Vorsicht, Blut und Schreie!“ steht auf einem kleinen gelben Dreieck an der Eingangstür. Eine Warnung vor Schmerzen, für die einige Menschen mehr als ein Jahr Wartezeit in Kauf nehmen. Tattookünstlerin Brambilla Bachmann hat sich in der Szene einen Namen gemacht - und trägt maßgeblich dazu bei, dass der Körperkunst immer weniger ein „Schmuddel-Image“ anhaftet. „Lebenslänglich“ - dieser Name prangt nicht nur über dem Schaufenster, sondern in verschwungenen Lettern auch am Hals seiner Inhaberin. Und weil ein Tattoo bestenfalls für die Ewigkeit hält, ist der spezielle Körperschmuck für Brambilla weit mehr als eine Modeerscheinung, die man eines Tages bereuen könnte. „Unsere Kunden werden immer kreativer. Etwas eher Unpersönliches wie ein Tribal oder ein chinesisches Schriftzeichen will kaum jemand, der hierher kommt“, sagt die 38-Jährige.

Wer schön sein will, muss leiden - dieser Spruch gilt beim Tätowierer doppelt. Foto: Klaus Micke
Wer schön sein will, muss leiden - dieser Spruch gilt beim Tätowierer doppelt. Foto: Klaus Micke © WAZ FotoPool

Im August verhängte sie einen kompletten Terminstopp für das kommende Jahr - bis Ende Dezember 2011 ist der Kalender des kleinen Studios voll. Woher der Erfolg rührt, lässt sich erahnen, wenn man erstmal den Schritt in den kleinen Laden am Bahnhof Süd gewagt hat. Eine Wand ist übersät mit Pokalen und Auszeichnungen diverser Tattoo-Conventions. Egal, ob aus Wuppertal, Dortmund oder dem amerikanischen Key West: Wo Brambilla ihre Nadel ansetzt, sorgt sie für Aufsehen.

Zu ihrer Spezialität gehören Portraits und Motive aus der Realistik und Biomechanik. Egal ob Jimi Hendrix auf dem Arm oder ein Konterfei des Nachwuchses am Schulterblatt: Was viele im Portemonnaie mit sich herumtragen, haben andere eben am Körper. Vor allem bei Männern sei es beliebt, sich den Sprössling auf der Haut verewigen zu lassen. Der Fantasie sind bei der Motivauswahl keine Grenzen gesetzt. „Tätowieren ist für mich eine spezielle Art von Kunst“, sagt Brambilla. Dabei skizziert sie ihre Entwürfe nicht auf Papier: „Ich kann am besten direkt am Körper arbeiten. Die Verbindungen zwischen den einzelnen Motiven kommen häufig von allein.“

Große Dichte an guten Tätowierern im Ruhrgebiet

Körperkunst fürs Leben

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    Beruflich habe sie schon immer „etwas mit Kunst“ machen wollen - dass dieser Traum vor zehn Jahren in der Selbstständigkeit als Tätowiererin endete, hätte sich die Essenerin nie träumen lassen: „Der Erfolg heute ist die schönste Belohnung und auch die größte Auszeichnung für mich.“ Dabei ist die Konkurrenz vor allem im Ruhrgebiet groß: „Außer in Berlin gibt es nirgendwo eine solche Dichte an guten Tätowierern. Der Unterschied ist aber, dass wir uns hier nicht spinnefeind sind. Jeder hat eben seinen eigenen Stil. Vielleicht ist das aber auch ein bisschen die ,Ruhri-Mentalität’“, erklärt Brambilla die friedliche Koexistenz.

    Vielleicht ist es aber auch der Idealismus. Allein in das Studio an der Rellinghauser Straße hat Brambilla gemeinsam mit Freund Jann Virnich eine Menge Liebe gesteckt. Und so erinnert das kleine Lokal eher an ein Wellness-Spa als an ein Haus der Schmerzen. Die sind - aller modernen Technik zum Trotz - nicht wegzureden. „Natürlich sind viele aufgeregt und man muss ihnen etwas die Angst nehmen. Aber durch den intensiven Kontakt entsteht auch immer ein Vertrauensverhältnis. Tätowieren geht eben wirklich unter die Haut“, sagt Brambilla. Dabei kommt es auch vor, dass sie Kunden vor sich selbst schützen muss: Junge Menschen am Unterarm zu tätowieren ist da so eine Sache. Schließlich wüssten die doch noch gar nicht, wo ihre berufliche Zukunft hingeht.

    Hancock und Hellboy gehen immer mit

    Körper als Gesamtkunstwerk: Jann Virnich. Foto: Klaus Micke
    Körper als Gesamtkunstwerk: Jann Virnich. Foto: Klaus Micke © WAZ FotoPool

    Tätowieren um jeden Preis? Das kommt für Brambilla nicht in Frage: „Mittlerweile bin ich in der glücklichen Lage, das zu tätowieren, was mir Spaß macht.“ Besonders stolz ist sie auf eine ihrer aktuellsten Arbeiten bei Kunde Kiki, „der mittlerweile zum Inventar gehört“. Auf dessen Bein arbeitet sie zurzeit am Projekt „Anti-Helden“. Hancock und Hellboy wetteifern dort bereits um die Gunst ihrer Betrachter und bescherten ihrer Erschafferin auf der jüngsten Tattoo-Convention in Wuppertal - mal wieder - einen Preis.

    Zur Unterstützung würde sich Brambilla gerne einen weiteren Tätowierer ins Boot holen. Einen Künstler, der sein Handwerk beherrscht - das würde passen. Denn die Zeit der Anker, Rosen, Delfine und viel belächelten „Arsch-Geweihe“ ist lange vorbei.