Essenl. Die Stadt steckt in einer akuten Lehrstellenkrise: Schulabgänger haben in diesem Jahr deutlich schlechtere Chancen, eine Lehrstelle vor Ort zu finden als in den Vorjahren. Nach dem weltweiten Konjunktureinbruch reduzierten die Essener Unternehmen ihre Ausbildungsplätze um bis zu 15 Prozent.

Nach dem weltweiten Konjunktureinbruch reduzierten die Essener Unternehmen ihre Ausbildungsplätze um bis zu 15 Prozent. Vor allem kleinere Betrieb streichen Lehrstellen; Konzerne versuchen nach Beobachtung der IHK noch, ihre Ausbildungszahlen stabil zu halten. Insgesamt meldet die Handwerkskammer ein Minus von 12 bis 15 Prozent, die IHK von 8 Prozent. Zugleich streben nach Angaben der Arbeitsagentur Essen auch noch mehr Jugendliche als in den konjunkturstarken Vorjahren eine berufliche Ausbildung an.

Damit ist die Lehrstellenlücke in Essen so groß wie seit langem nicht mehr - die Furcht bei allen Verantwortlichen, Politikern und Verbandschefs: Mitten im Wahljahr stehen mehr Jugendliche denn je ohne Zukunftsperspektive da.

Gegen die Ausbildungskrise planen Wirtschaftsverbände, Arbeitsagentur und Kammern nun verstärkte Werbeaktionen bei den Firmen. Die Handwerkskammer will vor allem bei den Betrieben nachhaken, die plötzlich keinen Lehrling mehr betreuen möchten. „Wir haben auch eine gesellschaftliche Verantwortung, geeigneten jungen Menschen die Chance zu geben, ihren Weg zu gehen”, meint Handwerks-Geschäftsführer Ulrich Meier. Zudem sei die verstärkte Ausbildungsanstrengung heute angesichts sinkender Schülerzahlen für die Zukunft der Betriebe überlebensnotwendig.

Sechsmonatige Einstiegspraktika

Die IHK hat bereits acht ihrer Fachleute auf die Reise von Betrieb zu Betrieb in Mülheim, Oberhausen und Essen geschickt. Dabei wirbt IHK-Ausbildungsexperte Heinz-Jürgen Guß auch dafür, dass Betriebe den Jugendlichen erst einmal sechsmonatige Einstiegspraktika anbieten, um sich gegenseitig kennenzulernen.

Denn auch schlechte Erfahrungen dämpfen nach Beobachtung von Meier den Ausbildungsdrang der Unternehmen. „Einige Jugendliche treten auf wie Lumpen-Willi, können nicht im Team arbeiten.” Den frustrierten Chefs kann aber die Kammer helfen. „Wir können ihnen Jugendliche vermitteln, die in unseren Kursen auf Herz und Nieren geprüft wurden.”

Michael Kinzler von der Arbeitsagentur rät den Schulabgängern, sich nicht von Absagen aus der Bahn werfen zu lassen. Lehrlinge würden in Essen noch in über 90 Berufen gesucht, etwa als Systemgas-tronomen, als Fachinformatiker, als Friseur oder Zahnarzt helfer. Zudem kämen im Herbst wieder offene Stellen auf den Markt, wenn erste Jugendliche ihre Lehre abbrächen. Auch die Bereitschaft, örtlich flexibel zu sein, helfe. „Im Raum Aachen, Köln oder Düsseldorf sieht die Lehrstellenlage deutlich besser aus; wer dort seinen Wunschberuf findet, dem können wir auch Mobilitätshilfen zahlen.”