Essen. .

Die Verwaltung lässt nicht ab von ihrem Vorhaben, in dichter besiedelten Stadtteilen die Bewohnerparkregelung einzuführen. Doch nützt den Anwohnern das kostenpflichtige Privileg? Rolf Krane, Vorsitzender der IG Rü, hält nichts von der Idee.

Auch interessant

Erst Holsterhausen, dann soll Rüttenscheid an die Reihe kommen. Die Stadtverwaltung lässt nicht locker in ihrem Bestreben, in den dicht besiedelten Essener Quartieren die Bewohnerparkregelung einzuführen und wird dabei von Stadtteilpolitikern von SPD, Grünen und Linken unterstützt. Doch nützt den Anwohnern das kostenpflichtige Privileg wirklich? Oder geht der Schuss letzten Endes nach hinten los, weil die Attraktivität der betroffenen Viertel abnimmt und die reizvolle und gewollte Mischung aus Wohnen, Arbeiten und Einkaufen in Gefahr gerät? Ein Gespräch mit dem Vorstandsmitglied der Interessengemeinschaft Rüttenscheid, Rolf Krane, einem erklärten Gegner der Anwohnerparkregelung.

Herr Krane; was ist dagegen zu sagen, wenn Anwohner in Rüttenscheid und anderswo künftig leichter einen Parkplatz finden sollen?

Grundsätzlich ist das natürlich ein nett klingendes Versprechen. Schließlich bin ich auch Bewohner des Mädchenviertels und werde somit angeblich bevorzugt. Der Nutzen aber wäre zu gering oder gar zum Schaden für viele Bürger, der Preis für Rüttenscheid viel zu hoch. Rüttenscheid würde seinen traditionellen Charakter und damit seine Attraktivität, auch für die Anwohner verlieren. Das ist auch nicht im Interesse der Stadt, für die Rüttenscheid wichtig ist. Es geht schon lange nicht mehr nur ums Parken, sondern um den Bestand Rüttenscheids in der bisherigen Form.

Aber den Parknotstand werden sie nicht bezweifeln.

So pauschal bezweifele ich das sehr wohl. Die Parksituation ist räumlich und zeitlich sehr unterschiedlich und lässt sich daher mit einer flächendeckenden Regelung nicht effizient regeln. Tagsüber gibt es in den meisten Straßen kaum Probleme. Da sind auch negative Vorurteile im Spiel, die sich verfestigt haben.

Die meisten Leute haben nun mal gerne einen Parkplatz vor der Tür.

In urbanen Vierteln wie Rüttenscheid und Holsterhausen ist dieser Wunsch aber einfach nicht erfüllbar. Man kann nicht alles haben. Nimmt man einmal ein bis zwei Häuserblocklängen Abstand vom Parkplatz zum Wohnhaus als akzeptabel an, so besteht nur noch an wenigen Stelle und zu wenigen Tageszeiten ein echtes Problem.

Das hält mancher aber schon für unzumutbar.

Was zumutbar ist, darüber kann man streiten. Nutzer von Bus und Bahn müssen jedenfalls viel weiter laufen. Wer nach Rüttenscheid zieht, weil es all die Angebote gibt, der muss einige Verkehrsprobleme eben leider hinnehmen.

Die Stadtverwaltung sieht das aber anders.

Die Verwaltung sieht schon Handlungsbedarf, wenn in einer Straße 90 Prozent des Parkraums belegt ist. Das empfinde ich als Rüttenscheider als ganz unproblematisch. Neu geschaffene Stellplätze, wie an der Martinstraße, haben einen Nutzungsgrad von 12 Prozent - eines von vielen Anzeichen, dass eben gar kein so hoher Parkdruck besteht. Alle haben sich irgendwie eingerichtet, sonst liefe Rüttenscheid nicht so gut.

Also alles in Butter?

Nein, viele haben wirklich ein Parkproblem und zwar spät abends. Dann gibt es aber kaum noch Kunden oder Beschäftigte in Rüttenscheid, die man vertreiben könnte. Das heißt, das eigentliche Problem der Bewohner wird durch eine Bewohnerparkregelung gar nicht gelöst. Man verspricht es nur. Und es wird ja noch absurder...

Wieso?

Viele Bürger würden sich mit Bewohnerparken sogar verschlechtern. Man muss Parkausweise kaufen und zu den Hauptproblemzeiten wird dennoch kaum jemand einen Vorteil davon haben. Viele wohnen in der Nähe von „Zonengrenzen“, in die ein Gebiet laut Gesetz aufgeteilt werden muss. Die Bürger verlieren dann bis zu 50 Prozent der jetzt verfügbaren Parkplätze, weil sie in den Nachbarzonen nicht mehr parken dürfen. Man frage auch mal Pflegedienste oder Handwerker nach ihren schlechten Erfahrungen mit Bewohnerparken.

Aber immerhin würde einigen Bürgern geholfen.

Stimmt, einigen schon. Nur muss man den Preis bedenken, den Rüttenscheid dafür zahlen muss und den die lokale Politik verschweigt.

Welcher Preis?

Die Attraktivität Rüttenscheids, auch und vor allem für die Anwohner, liegt in der Urbanität: Viele Geschäfte, viele Arbeitsplätze, eine gute Infrastruktur und eine gemischte Bevölkerungsstruktur. Diese Mischnutzung mindert übrigens auch stark die Parkprobleme. Rüttenscheider Bürger, die morgens zur Arbeit fahren, machen einen Parkplatz frei für Beschäftigte und Kunden. Ab dem späten Nachmittag läuft es dann umgekehrt. Das funktioniert. Die Wohnlage ist immer noch extrem begehrt, was zeigt, dass die Bewohner es so wie es ist durchaus attraktiv finden und nicht frustriert sind. Es gibt also keinerlei Anlass jetzt die Axt an all das zu legen.

Haben Anwohner in Ihren Augen keine Vorrechte?

Wenn wir Rüttenscheid in seinem Charakter und seiner Attraktivität erhalten wollen, dann müssen wir schon alle Beteiligten betrachten. Da gibt es die Anwohner, aber eben auch Kunden, Einzelhändler, Gastronomen, Gäste, Firmenbeschäftigte und Markthändler. Wenn man eine Gruppe zu Lasten der anderen bevorzugt, geht etwas kaputt und das ist es nicht wert. Wenn gegenwärtig alle ein bisschen klagen, kann man das als Zeichen für einen funktionierenden Kompromiss werten der in diesem Fall historisch gewachsen und bewährt ist. Den Anwohnern ist jedenfalls nicht gedient, wenn die Geschäfte weggehen und Ramsch oder das falsche Publikum Rüttenscheid entwerten. So etwas kann man auch nicht wieder korrigieren.

Eine Bewirtschaftung von Parkraum soll doch den Geschäften mehr Kundenparkplätze bieten. Das wäre doch in Ordnung so.

Niemand ist ja grundsätzlich gegen Bewirtschaftung. Dass die gesamte Rüttenscheider Straße und die vier anliegenden größeren Parkplätze bewirtschaftet werden, ist genau richtig. Aber man will ja großflächige Regelungen, obwohl diese Schaden anrichten würden. Gern wirbt die Stadt mit TV-Koch Nelson Müller und seinem Restaurant „Schote“ in einer Rüttenscheider Nebenstraße. Mit Bewohnerparken entzöge man dem Lokal die Existenzgrundlage. Es ist ein großer Imagevorteil, dass man in Rüttenscheid noch in weiten Teilen frei parken kann.

Sind Ihre Befürchtungen nicht doch übertrieben?

Nein. Für Firmen sind Parkmöglichkeiten existenziell wichtig. In Ihrer Zeitung war zu lesen, dass selbst einem Ladenbesitzer, der Außendienst leisten muss, ein Parkausweis verweigert wurde. Man macht Rüttenscheid geschäftsunfähig. Der Verweis auf Bus und Bahn zieht nicht immer. Es ist nun einmal Realität, dass der ÖPNV für viele Beschäftigte aus unterschiedlichen Gründen keine Alternative ist. Aber da hört das Arbeitnehmerdenken mancher Lokalpolitiker plötzlich auf.

Das Thema Bewohnerparken ist nicht neu, es gab schon vor zehn Jahren entsprechende Studien.

Genau. Und die hat offenbar keiner gelesen. Zum einen wurden sie nicht ergebnisoffen in Auftrag gegeben, sondern das Ergebnis, eine Anwohnerparkregelung, wurde vorgegeben. Zum anderen hieß es damals etwa, dass man als Stadt den Beschäftigten selbstverständlich erst eine Alternative bieten muss, bevor man ihnen jede PKW-Nutzung unmöglich macht. Mobilitätsberatung, Park&Ride-Plätze wurden gefordert. All das gibt es bis heute nicht. Pendler werden von der Politik schlecht behandelt. Dabei sind das auch Bürger, Wähler, Steuerzahler - und im übrigen auch wichtige Kunden.

Es liegt nahe, dass die Politiker in der Bezirksvertretung erst mal die Bürger vor Ort im Auge haben.

Wie gesagt, ob das Bewohnerparken wirklich im Interesse der Bewohner ist, darf man bezweifeln, wenn man die Dinge mal im Zusammenhang betrachtet. Etwas anderes kommt hinzu: Rüttenscheid hat übergeordnete Bedeutung für Essen, als wichtiger Wirtschaftsfaktor und als vielzitiertes Aushängeschild. Gerade in der wirtschaftlichen Lage der Stadt darf man das Gewerbe und die Qualitäten Rüttenscheids nicht opfern.

Was erwarten Sie von der Politik?

Die Politiker sollen nichts versprechen, was sie nicht halten können und sie sollen den Preis klar benennen. Wir hoffen, dass die Bürger erkennen, dass ihnen hier ein Bärendienst erwiesen wird und dass Rat und Verwaltung uns allen das ersparen sollten. Rüttenscheid geht es gut, und das sollte man nicht kaputt machen.

Die Gemarkenstraße in Holsterhausen ist ein Beispiel, wie die Politik durch Sperrung und Einbahnstraßenregelung erst die guten Kunden, dann die guten Geschäfte vertrieben hat, woraufhin die Bewohnerstruktur des Stadtteils sich ungünstig verändert hat. Aber statt aus Erfahrungen zu lernen, will die Politik derartige Maßnahmen auch für Rüttenscheid. Wir müssen uns wehren. Daher unser genereller Aufruf „Hände weg von Rüttenscheid!“ Essen hat doch wirklich andere Sorgen.