Essen. .

Die Schattenseite der Kulturhauptstadt: Die „Freiraum 2010“-Initiative fürchtet eine Sackgasse. Im Juli hatte das Aktionsbündnis das ehemalige DGB-Haus besetzt. Dieter Gorny setzt sich weiterhin als Vermittler ein.

Auch interessant

Essen ist nicht Stuttgart, aber auch hier gibt es Hängepartien - zum Beispiel bei der Frage, ob es für junge Kunstschaffende Entwicklungschancen in den eigenen Stadtmauern gibt, Freiräume für Arbeits- und Ausstellungsmöglichkeiten.

Nicht unbedingt ein schlagzeilenträchtiges Thema im Kulturhauptstadtjahr und seinen Leuchtturmprojekten. „Aber wir dürfen uns bei Ruhr 2010 nicht nur an steigenden Tourismuszahlen orientieren. Was kommt danach? Wie geht das Ruhrgebiet mit nachwachsenden Künstlern um, wie kann es deren Abwanderung verhindern? Wir müssen uns doch von der Vorstellung lösen, dass nur, weil sie nicht im städtischen Kulturetat stehen, sie keine Kultur machen.“ Der das sagt, ist ausgerechnet der künstlerische Direktor der Ruhr 2010 GmbH, Dieter Gorny. Auch er weiß, das sich überall im Revier leerstehende Räume befinden, die von jungen kreativen Köpfen genutzt werden könnten. In Essen zum Beispiel die ehemalige VHS, das Berufskolleg in Holsterhausen und auch das Jugendzentrum an der Papestraße.

Im Forum Kunst und Architektur am Kopstadtplatz nimmt er sich an diesem Vormittag viel Zeit für seine Vermittlerfunktion bei der Gruppe „Freiraum 2010“. Deren Kern, sagt ihr Sprecher Joscha Hendricksen, zählt 25 Mitglieder, aber es gebe weitere 200 Interessenten, Maler, Tänzer, Fotografen, Bildende Künstler.

„So lange wir noch keinen Raum haben, gehen wir eben auf die Straße“

Das alte DGB Haus an der Schützenbahn wurde im Juli zwei Tage lang besetzt. Foto: Arnold Rennemeyerl
Das alte DGB Haus an der Schützenbahn wurde im Juli zwei Tage lang besetzt. Foto: Arnold Rennemeyerl © WAZ FotoPool

Im Juli hat das Aktionsbündnis zwei Tage lang das ehemalige DGB-Haus an der Schützenbahn besetzt, weil die jungen Leute im dortigen, ehemaligen 220 Quadratmeter großen Verdi-Café eine Chance witterten, ein „Haus der künstlerischen Arbeit“ zu schaffen. Aber jetzt sind die Vermittlungsbemühungen von Gorny ins Stocken geraten, weil die Verhandlungen mit dem Hausbesitzer, der Berliner Vermögens- und Treuhandgesellschaft (VTG) des DGB, nicht vom Fleck kommen. Gorny will nicht resignieren, klagt aber: „Wir brauchen mehr Offenheit für solche Gespräche. Da müssen sich beide Partner bewegen, aber beim DGB sieht man das nur aus der Sicht der Immobilienwirtschaft - und das ist kurzsichtig.“ Die Zeit der „Geheimdiplomatie“ sei aber vorbei.

Jetzt ist plötzlich die Rede von Renovierungskosten in Höhe von mindestens 13000 Euro, weil Brandschutzauflagen in dem Verdi-Café erfüllt werden müssten. Das kommt den „Freiraum“-Suchern nicht geheuer vor, aber Gorny verspricht ihnen, anderswo Türen für ihr Projekt auftreten zu wollen: „Wir finden in der Nordstadt ein Domizil, aber das ist eine mühsame Angelegenheit. Wir müssen in Düsseldorf und Berlin dafür werben, dass sich kulturelle Investitionen in junge Leute lohnen. Auch neben seinen Kulturtempeln ist das Ruhrgebiet doch als Baustelle interessant.“ Deshalb wolle er auf die Suche nach Zuschussgebern für ein „Kunstprojekt temporärer Art“ gehen.

Auch der jungen Künstlergruppe ist klar, dass sie für ihr Anliegen Solidarpartner brauchen, eine Hoffnung könnte das Unperfekthaus sein. Joscha Hendricksen schwankt am Ende zwischen Hoffnung und Resignation: „So lange wir noch keinen Raum haben, gehen wir eben auf die Straße. Wir sind doch alle Stadtkünstler und brauchen ein Laufpublikum für unsere Aktionen. Deshalb wird es nicht leicht sein, ein vergleichbares Gebäude wie das ehemalige Verdi-Café in der Nordstadt zu finden.“