Essen. Lutz Friedrich ist 18 Jahre alt, hat die Leistungskurse Englisch und Deutsch belegt - und ein eher ungewöhnliches Hobby: die Politik.

Ein erstes Mandat hat er auch: Er ist Schülersprecher des Carl-Humann-Gymnasiums in Steele. Als solcher verfolgt er die Mission, „andere Schüler für Politik zu begeistern, Politikverdrossenheit zu stoppen“. Deshalb rief er die Veranstaltungsreihe „Humann im Dialog“ ins Leben, lud im Frühjahr erst den Oberbürgermeister, dann die Direktkandidaten zur Landtagswahl ein, mit den Schülern der Oberstufe zu diskutieren.

Spitzenpolitiker in die Schule eingeladen

Vom Erfolg beflügelt, suchte sich Friedrich die nächsten Gäste gleich ein paar Etagen höher: Im November kommt Wolfgang Clement, ehemals NRW-Ministerpräsident, Bundeswirtschaftsminister und SPD-Mitglied, an die Steeler Schule. Am Nikolaustag wird dort dann Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) begrüßt. „Ich war schon überrascht, dass der zweite Mann im Staate zugesagt hat“, sagt Friedrich. Er habe Lammert einmal live erlebt, ein sympathischer Politiker, der nicht ablese, sondern völlig frei rede. Und Clement sei nicht nur äußerst charismatisch, sondern stehe als einer der Hauptverantwortlichen für Hartz-IV auch für ein Allzeit-Reizthema.

Die Idee, Politiker einzuladen, hat Friedrich von einem sechsmonatigen Kanada-Aufenthalt mitgebracht. Die Kontaktaufnahme zu den heimischen „Hochkarätern“ Clement und Lammert spielt er herunter: Er habe nur „etwas Zeit und ein paar Briefmarken“ investiert. Bedauerlich sei bloß, dass die neue NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) abgesagt habe. Dabei hätte sie schon qua Amt verdeutlichen können, dass Politik alle Schüler angeht. „Viele Jugendliche haben kein Gefühl dafür, wie unmittelbar Politik ihr Leben betrifft“, glaubt der 18-Jährige. „Zu behaupten, meine Generation gehe am Wahlsonntag lieber in die Kneipe, ist mir zu billig.“

Lampenfieber kennt der Schülersprecher nicht

Wenn aber die Demokraten versagten, bekämen die Demagogen ihre Chance, was dazu führe, „dass besonders Jugendliche auf die unhaltbaren Heilversprechen von ganz Links und ganz Rechts hereinfallen“. Solche Sätze finden sich in Friedrichs Reden, mit denen er seine Gäste aus der Politik vorstellt. Anders als Rhetorik-Profi Lammert benötige er dafür noch ein Manuskript, aber Lampenfieber kenne er nicht - „nur freudige Erregung“. Überhaupt reizt ihn die Politik durchaus als Beruf auf Zeit. „Auch wenn viele sagen, das sei ein dreckiges Geschäft, ich finde es faszinierend!“

Nach dem Abitur wird er freilich erstmal studieren, vermutlich Jura. „Ohne eine berufliche Basis, wird man zu abhängig von der Politik.“ Den Zivildienst, der vor dem Studium ansteht, bezeichnet Friedrich als wertvolle Erfahrung; für sinnvoller hielte er jedoch einen freiwilligen Dienst. Darum begrüße er die Aussetzung der Wehrpflicht: „Es passt doch nicht zusammen, mit G 8 den Weg zum Abitur zu verkürzen, aber gleichzeitig an der Zwangspause durch Wehr- und Zivildienst festzuhalten.“ Da ist sie wieder, die Politik, die ganz konkret ins Leben junger Leute eingreift.

Schule als Ort der Herzensbildung

Lutz Friedrich, der schon jetzt klar mit einer Partei sympathisiert, ihre Veranstaltungen besucht und sich auch schon mal den Plenarsaal in Berlin angesehen hat, will später selbst mit eingreifen, Politik gestalten. „Bis zum Abi trete ich aber in keine Partei ein - ich möchte der Schülersprecher aller 900 Schüler sein.“ Es scheint, als komme das gut an, schließlich ist er schon zum zweiten Mal gewählt worden.

Die Schülervertretung sieht er als Dienstleister, der das Schulleben aktiv mitgestaltet. „Schule ist nicht nur Ort der Wissensabfrage, sondern auch der Herzensbildung, Menschlichkeit, Solidarität.“ Klingt schon nach Politiker-Sprech, ist aber aufrichtig gemeint. Vom Einsatz für die Caritas bis zur Filmnacht mit Pizza und Übernachtung in der Turnhalle reicht sein Engagement.

Auch kurz vor dem Abi bleibe ihm dafür die Zeit, denn zum Glück falle ihm das Lernen „eher leicht“. Und ja, er wisse, dass es aus dem Mund eines Schülersprechers fast komisch klinge, wenn er sage, dass es am Humann-Gymnasium keinen Grund für Streit gebe. Aber erstens sei diese Schule eben ein Ort, an den man gern gehe, zweitens stehe er für Kompromisse. „Wenn es darum geht, sich mit der Schulleitung zu zoffen oder eine Revolution anzuzetteln, darf man mich nicht wählen.“