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Die Polizei sieht sich konfrontiert mit wachsender Respektlosigkeit und Gewaltbereitschaft. „Das ist ein Spiegel der gesellschaftlichen Entwicklung. Und wir stehen im Wortsinn im Brennpunkt“, sagt Polizeisprecher Ulrich Faßbender.
Für Sabrina Stein ist es inzwischen Alltag, als Feind betrachtet zu werden. Die junge Kommissarin tut Dienst bei der Einsatzhundertschaft und ist bei Demonstrationen und Fußballeinsätzen regelmäßig Ablehnung und Gewalt ausgesetzt. „Ich mache mich vor dem Einsatz schon auf das Schlimmste gefasst. Aber manchmal kommt es sogar noch schlimmer.“
Zum Beispiel letztes Jahr, als die Einsatzhundertschaft einen Einsatz in einem autonomen Zentrum in Wuppertal hatte. „Die Feuerwehr hatte kaum die Tür aufgebrochen, da wurden wir schon mit allem beworfen, was man sich nur vorstellen kann: Barhocker, Mikrofonständer, Aschenbecher - wir waren fassungslos.“ Sie und eine weitere Beamtin erlitten durch Wurfgeschosse Armbrüche.
Grundsätzliche Feindseligkeit ist Alltag
Solche Einsätze sind Ausnahmen, immer noch. Alltag dagegen ist eine grundsätzliche Feindseligkeit, mit denen die Einsatzhundertschaft begrüßt wird. Und mit Gewaltbereitschaft sind Polizisten auch im Streifendienst konfrontiert, sagt Detlef Klocke (37) von der Inspektion Nord. „Es geht schon damit los, dass man geduzt wird. Das Sie gibt es uns gegenüber gar nicht mehr.“ Auch deshalb sucht Sabrina Stein bei Großeinsätzen oft nicht mehr das Gespräch mit dem Gegenüber: „Das Diskutieren habe ich schon längst aufgegeben.“
Klocke berichtet von einem Solidarisierungseffekt, der besonders bei Gruppen von Ausländern zu beobachten sei: Wenn die Polizei in Streitigkeiten eingreift, wenden sich beide Parteien einmütig gegen die Beamten. „Beim geringsten Anlass kommt sofort der Spruch: Das machst du nur, weil ich Ausländer bin. Dann gibt es eine Rudelbildung - und schon eskaliert die Situation. Man weiß nicht, was hinterm Rücken passiert.“
Klocke, selbst zum Respekt vor der Polizei erzogen, berichtet von einem Schlüsselerlebnis: „Rosenmontagszug in Gronau. Da steht ein Bengel vor mir, sieht aus wie 16, und fragt mich: Willst du Einzelkampf? Ich war sprachlos. Vor allem, als ich später erfuhr: Der war erst 14.“Die sinkende Bereitschaft, Regeln zu akzeptieren, beobachten die Beamten schon in Alltagssituationen. Polizeisprecher Faßbender berichtet von der Party im Juni im Licht- und Luftbad Baldeney. Als dort der Verkehrskollaps drohte, sperrte die Polizei die Lerchenstraße. Faßbender: „Polizeiwagen, Blaulicht und ein Beamter in Uniform, der klare Anweisungen gibt: Das muss doch eigentlich reichen. Trotzdem wollten die Autofahrer mit uns diskutieren, ob sie nicht doch weiterfahren könnten.“
„Sinkende Bereitschaft, sich Normen zu unterwerfen“
Solche Formen zivilen Ungehorsams kennt Sabrina Stein auch aus dem Streifendienst. „Wenn ich eine Absperrung mache, dann hat das einen Sinn. Ich mache meinen Job, für den ich gut ausgebildet worden bin. Aber viele Menschen können das offenkundig nicht akzeptieren.“
Bei der Frage nach dem Warum steht die gesellschaftliche Entwicklung im Vordergrund. Nicht nur Polizisten beklagen wachsende Respektlosigkeit, auch Lehrer tun das. Faßbender spricht von der „sinkenden Bereitschaft, sich Normen zu unterwerfen.“
Auch die Allgegenwart der Handyvideos belastet die Beamten. „Bilder sprechen eine eigene Sprache“, sagt Faßbender, „erzählen aber oft nicht die ganze Geschichte. Wenn dann plötzlich Bilder von angeblichen Polizeiübergriffen im Netz stehen, wächst der Rechtfertigungsdruck.“
Beamten hinterfragen aber inzwischen auch das eigene Auftreten. „Nicht diskutieren. Durchgreifen“, fordert Friedrich Koch, Chef der Inspektion Mitte, öfter mal von seinen Leuten. Selbstwussteres und konsequenteres Auftreten der Kollegen wünscht sich auch Klocke: „Niemand hat mich anzumachen. Niemand hat mich anzufassen. Niemand hat mich anzurempeln.“