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Dieser Stadtteilspaziergang führt durch dicht besiedeltes Gebiet, Häuserschluchten, vorbei an abwechslungsreichen Fassaden. Man könnte über Stunden schlendern durch den so verrufenen Ortsteil Altendorf und dabei immer wieder feststellen: Nett hier.

Gianchad Kapur verwaltet in einem Import-Shop an der Helenenstraße Waren aus China und Taiwan. Das Wort „Verkaufen“ verbietet sich an dieser Stelle. „Vor zwei Jahren hat der Ein-Euro-Shop gegenüber aufgemacht“, sagt der Afghane, der seit 20 Jahren in Altendorf lebt, seither wisse man manchmal kaum, wie man die Ladenmiete aufbringen solle. So staubt das Warensortiment, spärlich in Regalen drapiertes Mischmasch aus Kunstleder, Ketten und Fahrradschlössern, auf vielleicht acht mal neun Metern vor sich hin.

Einst gingen die Geschäfte gut. Doch es wich auf der anderen Straßenseite ein Discounter, es kam der besagte Ein-Euro-Shop und es war dies ein weiteres Zeichen für Wandel. In einem Stadtteil, der sich gewandelt hat, noch wandelt und weiter wandeln wird. Nun mag man streiten über den Wert von Veränderungen, von Neuerungen – aufhalten ließen sie sich in Altendorf nie.

Dicht besiedeltes Gebiet

Dieser Stadtteilspaziergang führt durch dicht besiedeltes Gebiet, Häuserschluchten, vorbei an abwechslungsreichen Fassaden. Es reiht sich mühevoll restaurierte Jugendstilhaus-Fassade an die graue 60er-Jahre-Mietskaserne, vorbei geht es an Häusern mit nachgerüsteten Balkonen, graffiti-besprühtem Pastellputz.

Die Altendorfer Straße.
Die Altendorfer Straße. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool





Station Ehrenzeller Markt: Hier ist manches getan, anders im Werden. „Die Pläne für die Neugestaltung liegen bereit“, sagt Bezirksbürgermeister Klaus Persch. Allein die Haushaltssperre verhindere die Umsetzung, „denn zur Zeit kann die Stadt den Eigenanteil nicht aufbringen.“ Was nötig wäre, um Zuschüsse von Bund und Land für die Maßnahme zu bekommen.

Doch es sind dies nur wenige Blätter Planmaterial für den weiteren Wandel. An der Rüselstraße übt sich der Allbau im Abriss, um nicht mehr gefragten Wohnraum durch neuen, ungleich attraktiveren zu ersetzen. Attraktiveres Wohnumfeld wird zudem in die Landschaft gegraben, wird geflutet werden und später auf Landkarten als „Niederfeldsee“ verzeichnet sein.

Diesseits der Helenenstraße ist bereits Wasser - er entstand im Zuge der Arbeiten am neuen Thyssen-Krupp-Verwaltungsgebäude und dem Berthold-Beitz-Boulevard der Krupp-See.

Auch an dem Mieter Malil Tunabir lässt sich die Geschichte vom Wandel erzählen. Vor vier, fünf Jahren, da wollte er noch wegziehen. Vor seinem Haus donnern auf der Helenenstraße die Bahnen, dahinter Brache. Dann wurde gebaut, ausgebaggert, erneuert, bis - voilà - ein See hinter seinem Haus geflutet wurde. „Jetzt genieße ich das hier richtig“, sagt der Rentner, der seit 25 Jahren in Altendorf lebt. Morgens spaziert er um den See, abends auch und dabei schlängelt er sich um die rastenden Radfahrer, die über die alte Bahntrasse ins Quartier gelangen.

Radelt man über diese Trasse, so wird noch eine Eigenheit sichtbar. Vorn Straßenbahn - hinten Kleinod. Sonnenblumen versperren den Blick auf Gärten, lassen nur erahnen, dass Altendorf in seinen Hinterhöfen mehr Lebensqualität bietet, als sich von den Straßen aus erkennen lässt. „Die meisten Menschen wollen hier auch gar nicht weg“, sagt der Verwaltungsbeauftragte im Bezirk III, Wolfgang Köppen. Ein wenig schöner hätten sie es gern, woran gearbeitet wird, „insgesamt ist der Stadtteil aber sehr lebendig und lebenswert.“ Er sei ungleich besser als sein Ruf.

Blick vom Krupp-Park Richtung Helenenstraße.
Blick vom Krupp-Park Richtung Helenenstraße. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool





Ja, man lebe mit hohem Mi­grantenanteil – aber man sei zusammen gewachsen. Als Stadtteil mit hohem Erneuerungsbedarf verfüge Altendorf über ein Stadtteilbüro, in dem „Kümmerer“ Netzwerke schufen, für Verständnis und kulturelles Miteinander warben – und dies auch erreichten. „Wenn es Probleme mit einer Bevölkerungsgruppe gibt, hat man zwei Möglichkeiten“, sagt Köppen. Wähle man Möglichkeit a) und rufe die Polizei, könne diese Probleme kurzfristig unterbinden. Besser jedoch sei Variante b), die Vermittlung durch das Stadtteilbüro. „Dort sind kulturelle Gruppen und Vereine aus ganz Altendorf organisiert“, sagt Köppen. Es gebe Vermittlungen, Gespräche, die Verständnis weckten, was wiederum Voraussetzung sei für das Zusammenleben so unterschiedlicher Kulturen.

Eine Vielfalt, die sich auch an den Geschäften auf der Altendorfer Straße ablesen lässt. Pizzeria, Döner-Laden, Balkanstube, Pommes-Bude, unterbrochen von Internet- und Call-Shops, kleinen Satelliten, die Kontakt halten lassen mit den so zahlreichen Herkunftsländern. Aber eben auch durchsetzt von bodenständigem Einzelhandel. Optiker, Metzger, Bäcker, die für sich werben und zeigen: So können Kulturen nebeneinander stehen.

Miteinander der Menschen

Dabei: Es lässt sich auch im Kleinen betrachten, im Miteinander der Menschen. Nehmen wir die Parkbänke am Ehrenzeller Platz. Durchweg Deutsche sitzen dort, durchweg Bier wird konsumiert. Davon profitiert wiederum Nukhet Eldes. In einem angrenzenden Laden arbeitet die junge Frau, die vor zwei Jahren vom ländlichen Niederrhein nach Altendorf zog und damals sicher war, nun ja, unangenehme Typen vor der Ladenpforte zu haben. „Dann habe ich die Leute kennen gelernt.“ Und sie lernte: „Die sind eigentlich alle sehr nett. Sie trinken halt gern ihr Bier.“

Fotos: Walter Buchholz
Fotos: Walter Buchholz © WAZ | WAZ





Man könnte noch Stunden schlendern durch den so verrufenen Ortsteil und dabei immer wieder feststellen: Nett hier. In der restaurierten Hirtsiefer-Kolonie, rund um den Christuskirchplatz, auf dem der Wandel, die Wohnumfeldverbesserung gelungen ist. Vielfältig und farbenfroh zeigt sich der Stadtteil, grau und ab-gewohnt. Nur langweilig ist er nicht, lehrt die, die dort leben, Toleranz und Miteinander, weil man sich - auch wegen der Enge - kaum aus dem Weg gehen kann und so lernt: Es ist schon was dran an anderen Kulturen. Mehr als der Besuch im Döner-Imbiss, dem Wecker, aus dem es des morgens „allah al akbar“ schallt.

Vielleicht, so räumen Köppen und Persch ein, sei das Zusammenleben nicht immer konfliktfrei und ruhig. Aber man arbeite am Zusammenwachsen, sei damit nur selten gescheitert. Noch so ein Zeichen für den Wandel – in den Köpfen der Menschen.