Essen..
Die „Essener Hütte“ in Osttirol ist Aushängeschild des hiesigen Alpenvereins, der in diesem Jahr 125 Jahre alt wird. Längst hat sich der Alpenverein in Richtung Breitensport geöffnet, bietet auch Jugendlichen einen eigenen „Kletterpütt“ zum Training an.
Im Frühling hat sich Peter Schäfer einen Spaß gemacht: Für die Reise zur „Essener und Rostocker Hütte“ im österreichischem Osttirol hat der Alpenfreund eine Flagge der Kulturhauptstadt mitgenommen und sie dort gehisst. Somit ist die Kulturhauptstadt nun auch auf dem höchstgelegenen Essener Haus, genau 2208 Meter über Normalnull, angekommen. Im abgelegenen Maurertal hat die Sektion Essen des Deutschen Alpenvereins ihr Arbeitsgebiet. Die Gegend besitzt keinen Ski-Zirkus, dafür viel ursprüngliche Natur und den grandiosen Venediger-Höhenweg, für den die Essener Hütte ein wichtiger Übernachtungs-Stützpunkt ist. 125-jähriges Jubiläum kann der Essener Alpenverein dieses Jahr feiern, eine lange Geschichte, mit vielen Höhen und Tiefen.
Peter Schäfer ist 1970 in den Verein eingetreten. „Damals brauchte ich zwei Bürgen“, erinnert er sich. Wer noch weiter zurückblickt, sieht anhand der Mitglieder und Vorsitzenden, dass der Alpenverein in den Gründerjahren ein „Privilegiertenverein“ war, wie Schäfer sagt. Natürlich war das keine Essener Spezialität. Alpenurlaub war etwas Exklusives, die Mitglieder des DAV - Großbürger, Akadenmiker, Industrielle - blieben gern unter sich. Auch in Essen.
Das ist vorbei. Längst hat sich der Alpenverein in Richtung Breitensport geöffnet, bietet gerade auch Jugendlichen in der Geschäftsstelle auf der ehemaligen Zeche Helene einen eigenen „Kletterpütt“ zum Training an. Auch mit einem Naturklettergarten, einem ehemaligen Steinbruch, an der Isenburg in Hattingen kann der Verein aufwarten. 2800 Mitglieder zählt die Essener Sektion, Tendenz steigend, so der Vorstand.
Erstes Haus schon 1903 eingeweiht
Die Essener Hütte, der Botschafter der Stadt in den Alpen hat bewegte Zeiten erlebt. Das erste Haus hatte der Club schon 1903 eingeweiht - im heutigen Südtiroler Sebertal. Nachdem Italien Südtirol nach dem Ersten Weltkrieg annektiert hatte, folgte 1920 die Enteignung. Die zweite Hütte im Osttiroler Umbaltal wurde von einer Lawine weggefegt, die dritte, einige Hundert Meter höher gebaut, ereilte das gleiche Schicksal. Kaum eine deutsche Alpenvereinssektion hatte so ausdauerndes Pech mit ihren Hütten.
Einen neuen Versuch starteten man nach dem Zweiten Weltkrieg. Die aus der DDR teilweise in den Westen emigrierten Mitglieder der Sektion Rostock konnten den Erhalt ihrer Hütte nicht mehr gewährleisten. Die Essener sprangen ein, beteiligten sich am kleinen Rostocker Haus im Maurertal und versahen es 1966 mit einem großen An- bau. Heute gehört den Essenern der Gesamtkomplex.
Früher, erzählt Peter Schäfer, haben sie die Steine für den Hausbau hochgeschleppt, das Wasser kam vom Gletscher und hinter dem Haus stand das Plumps-Klo. Und heute: Es gibt viel Technologie, Komfort, selbst Duschen. Ein eigenes Wasserkraftwerk regelt die Energieversorgung.
Für die Sektion Essen ist die Arbeit auf der Hütte selten beendet. Renovieren, Wege erschließen, die Häuser erhalten - das alles ist mühsam und kostet viel Geld. Der Sektion Essen gehört in der Nähe auch die Clara-Hütte auf 2038 Metern und ein Biwak, die Philipp-Reuter-Hütte auf 2692 Metern Höhe. „Da müssen wir selbst die Ärmel aufkrempeln“, sagt Schäfer. Regelmäßig reisen Delegationen nach Osttirol zum Arbeitsurlaub. Getreu dem Motto: die Natur nützen und schützen. Dafür gibt es skurrile Geschichten zu erzählen. Wie die vom österreichischen Oberst - oft ist das Militär in der Hütte zu Gast - für den sie eigens eine Steckdose legen mussten. Oder die Schilder mit den Namen der von Bohlen und Halbachs, die einst als Dank für Spenden an die Zimmertüren kamen.
Detlef Weber, der Vorsitzende der Essener Sektion, war als Siebenjähriger zum ersten Mal „da oben“. Es muss alles andere als ein freudiges Erlebnis gewesen sein: „Die Hütte war spartanisch - eine Kaserne in den Alpen.“ Zugige Fenster, keine Heizung, schlechtes Essen. „Aber wir haben es mit viel Arbeit wieder hingekriegt“, freut sich Weber. Mittlerweile kommen die eigenen Kinder mit. „Es ist eine andere Art, Urlaub zu machen. Einfach nur am Strand liegen - nicht mit mir.“
Wie oft Weber schon auf der Hütte war, kann er nicht mehr aufzählen. Er liebt die Alpen und den Menschenschlag. Nur auf Wettkämpfe mit ihnen sollte man sich nicht einlassen. „Die flitzen uns davon“, sagt Weber und lacht. Da kann die Geschichte des Alpenvereins noch so lang sein.