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Ein Gottesdienst war Xavier Naidoos Auftritt in der Lichtburg nicht. Doch stimmungsvoll ging es allemal zu. Deutschlands Soul-Ikone traf mit seinen Texten den Nerv vieler Zuhörer - und hatte wie gewohnt eine Botschaft zu verkünden, bevor er die Party einläutete.
Tony Mono hätte ruhig kommen können. Er wäre bei der 1Live-Nacht ja so gerne zu Xavier Naidoo gegangen, bekannte der Komiker in der Tarnkappe eines Musikproduzenten bei seinem Auftritt im Essener Eulenspiegel - aber leider habe er seine Bibel nicht dabei. Etwa zwei Kilometer entfernt wurde jedenfalls niemandem, der keine Heilige Schrift vorzeigen konnte, der Einlass zur Lichtburg verwehrt.
Zweifellos sind Konzerte von Xavier Naidoo stets von einem Hauch Spirituellem umweht; dafür sorgen allein schon seine Texte, in denen er bevorzugt Themen wie Glaube, Erlösung und Nächstenliebe besingt. Doch die 1250 Besucher hatten sich nicht zum vorgezogenen Gottesdienst in der Lichtburg eingefunden. „Wir wollen Party mit dir machen!“ verkündete eine einzelne, hörbar ekstatische (und weibliche) Stimme vom Parkett, als der Künstler die Bühne betrat. Dem wollte sich der Adressat nicht verweigern: „Deswegen sind wir hier. Aber lasst es uns langsam angehen, damit wir uns steigern können.“
Feine Auslese im Schlabberlook
Ein Versprechen, das er halten sollte. Von der ersten Strophe an erfüllte der 38-Jährige den Saal mit seiner Präsenz und dem so unverfälschten Klang seiner Musik. Auch wenn die schier allgegenwärtigen Kreischgeräusche auf ein eher junges Publikum hindeuteten, so verriet ein Blick ins Rund , dass Naidoos Schaffen generationenübergreifend auf Sympathien stößt.
Im gewohnten Schlabberlook gekleidet, gab Naidoo über anderthalb Stunden eine feine Auslese seiner umfangreichen Diskografie zum Besten. Songs aus den 90er Jahren („Führ mich ans Licht“) hatte er ebenso im Repertoire wie Stücke aus seinem jüngsten Album vom Oktober 2009. („Halte durch“). Und obschon augenscheinlich niemand im Saal die Hände faltete, wirkte die Szenerie doch mitunter wie eine abgewandelte Version des Gospel-Klassikers „Sister Act“.
Texte, die einen Nerv treffen
Vielleicht braucht es in Zeiten von Griechen-Pleite und Ölpest jemanden, der eine ordentliche Portion Seelenbalsam verteilt. Eine Kunst, auf die sich Deutschlands wohl begnadetster Soulsänger wie kein Zweiter versteht. Natürlich werden Feuerzeuge und Knicklichter zuweilen auch vor anderen Bühnen gezückt - und doch war zu spüren, dass da jemand ist, der mit seinen Texten einen Nerv trifft. Naidoos Botschaften mögen polarisieren. Doch zumindest hat er welche.
So auch an diesem Abend. Unmittelbar nach seinem dritten Song „Alles kann besser werden“, der zugleich Titel des aktuellen Albums ist, stimmte Naidoo nicht gleich das nächste Lied an. Stattdessen widmete er die Verse den Bundeswehrsoldaten in Afghanistan. „Egal ob der Krieg dort richtig ist oder nicht - wir sollten an sie denken.“ Mit dem „Söldnerlied“ lieferte er noch einen weiteren Denkanstoß mit.
Kurzer Rollenwechsel
Den Rollenwechsel zwischen „netter Schwiegersohn“ und „verbitterter Ghetto-Prediger“ hatte Naidoo bereits in seinem zuletzt veröffentlichten Album betrieben - doch nach der ernsten Botschaft ging es in der Lichtburg wie angekündigt zur Party über. Spätestens als Naidoo zu „Bevor du gehst“ ansetzte, hielt es die meisten nicht länger auf den rot gepolsterten Sitzen, was wieder einmal bewies, dass bestuhlte Konzerte eigentlich nur im Zusammenhang mit Bach oder Mozart Sinn machen.
Der Stimmung sicher nicht abträglich waren auch die von dem Mannheimer eingestreuten Anspielungen auf den Ort des Geschehens. „Ihr könnt ja im Moment gar nicht in Jogginghose auf die Straße gehen - ihr seid ja Kulturhauptstadt.“ Eine zweifellos spitzzüngige Bemerkung, die er aber mit dem - nach eigener Auskunft spontan - dargebotenen Song „Essen 2010“ mehr als gutmachte. Mit „Bitte hör nicht auf zu träumen“ entließ er die begeisterten Zuhörer in die Nacht. Ein Song, gerichtet an die Kinder. Da war sie doch wieder, die Botschaft.