Kurz nach halb elf, ein normaler Freitagmorgen im Besucherzentrum auf Zollverein. Daniela Ernst steht hinter der Theke und kann einen Augenblick durchatmen. Der frühe Besucher-Ansturm hat sich gelegt. Die ersten Gruppen stehen nämlich schon Punkt zehn vor dem Info-Tresen. Sammeln zum kollektiven Marsch durchs Ruhr Museum.

„Vorher gibts noch allerlei Fragen, wo sind Toiletten, was kann man sonst noch auf dem Gelände erleben, wo gibt es Gastronomie. Eben Service, man muss das mögen, sonst hat es keinen Zweck“, sagt Daniela Ernst. Sie arbeitet seit Dezember im Besucherzentrum, hat den Eröffnungshype fürs Ruhr Museum mitgemacht plus Kulturhauptstadt. Das härtet ab. Es sei aber auch toll, dass so viele kommen. Und die meisten seien wirklich nett, freuten sich, wenn man hilft. Eben brachte eine Besucherin sogar einen selbst gebackenen Kuchen vorbei. „Das hat es noch nie gegeben!“

Über 180 000 Besucher strömten seit Januar ins Ruhr Museum, an Spitzentagen sind das 3000 Menschen pro Tag. Dann hält die riesige orangefarbene Rolltreppe zuweilen an. Mehr als 1000 Besucher sollten nicht auf einmal in der ehemaligen Kohlenwäsche sein. „Wir haben da Hochhausregelung, aus Sicherheitsgründen“, sagt Theo Grütter, Pressechef und zuweilen auch die Stimme nach außen von Museumschef Ulrich Borsdorf.

Allein über 30 000 besuchten bisher die archäologische Sonderausstellung „Das große Spiel“. „Für eine kulturhistorische Schau ist das in so kurzer Zeit ebenfalls Spitze“, so Grütter. „Das hatte man im alten Ruhrlandmuseum früher im ganzen Jahr, na vielleicht doch etwas mehr“. Grütter schmunzelt. Und für das neue Haus gilt: Die angepeilten Besucherzahlen für das Kulturhauptstadtjahr sind schon mehr als erreicht. Dabei kommt der Sommer erst noch und mit ihm die überregionalen Gäste.

Am Freitagmorgen sind die Niederländer schon gut vertreten. Und die Franzosen. Carl Wilms, Geschichtslehrer am bischöflichen Gymnasium am Stoppenberg, ist fast Dauergast. Schließlich kooperiert das Ruhr Museum mit seiner Schule. An diesem Tag ist er mit Austauschschülern aus Tours zu Gast. Die versuchen sich gerade bei einer Rallye durchs Haus, die Wilms organisierte. Frontal zu predigen reißt heute keinen 12- oder 13-Jährigen mehr vom Hocker. Aber im Ruhr Museum kann man Geschichte erleben. Auch Dank des neuen Multimedia-Guides. Denn nicht alle jungen Franzosen der Gruppe sind schon wirklich sattelfest in der deutschen Sprache. Und das GPS-System sei super für die Erkundung des Geländes.

Vor allem aber hat sich das Haus als emotionaler Ort für die Menschen der Region erwiesen. Wir treffen nicht nur auf das klassische vorgebildete Museumspublikum. Die Jacke von Schimanski, die „Vogelheimer Klinge“, eine Druckpresse von Baedeker oder Fußball-Bundesliga-Wimpel von einst. Und wehe, wenn der Wattenscheider auf einer Tafel zu früh eingemeindet wurde oder Wattenscheid 09 fehlt. Dann gibt’s Beschwerden. 40 000 Jahre mehr oder weniger bei der prähistorischen „Vogelheimer Klinge“ lässt man da schon mal eher durchgehen. Bei dem Alter . . . Aber das Team arbeitet auch daran.