Essen.
Immobilienfachleute sind besorgt über den Zustand der Kettwiger Straße. Nach Analyse der Profis wird die einst für Ladeninhaber teuerste Einkaufsstraße Deutschlands in einen Zangengriff der Einkaufszentren genommen. Die Makler fordern niedrigere Mieten und ein wirksames City-Management .
Sie wollen keine Miesmacher sein, sie sehen als Wirtschaftsexperten typischerweise eine Krise immer auch als Chance, doch der aktuelle Zustand der einst für Ladeninhaber teuersten Einkaufsstraße Deutschlands, der Kettwiger Straße in der Innenstadt, besorgt die Immobilienfachleute des Ruhrgebiets nachdrücklich. So sehr, dass diese kein Blatt mehr vor den Mund nehmen.
„Im Einzelhandelsbereich ist die Kettwiger mit ihren zunehmenden Leerständen unser größtes Problem der Region“, sagt Rainer Post, Schatzmeister von der Grundstücksbörse Ruhr, bei Vorstellung des neuen Gewerberaum-Mietspiegel 2010 für Mülheim, Oberhausen und Essen.
„Wir brauchen endlich ein City-Management aus einem Guss“
Wir brauchen endlich ein City-Management aus einem Guss, sonst verliert die Innenstadt im Wettbewerb mit den Einkaufszentren, die dies für sich leisten können.Dabei sollte man sich an die sehr gute Arbeit von Werbegemeinschaften in Stadtteilen wie Rüttenscheid orientieren. Die sind ehrenamtlich, aber erfolgreich“, sagt Joachim Sälzer, Geschäftsführer der Projektfirma Arsatec, und Sprecher der Grundstücksbörse. Sälzer kritisiert damit die Arbeit der Essen Marketing GmbH (EMG), einer Stadttochter, die seit Jahren die Innenstadt nach vorne bringen will.
„Die Eigentümer sind jedenfalls nicht zufrieden, da gründet sich oft etwas und dann verläuft wieder vieles im Sande“, konstatiert Corinna Spiess, Vorsitzende der Grundstücksbörse und Geschäftsführerin von Rasch Industrie-Immobilien.
Nach der Analyse der Immobilienprofis wird die Kettwiger derzeit in einen Zangengriff der Einkaufszentren genommen: Das neue Haus am Limbecker Platz mit über 200 Geschäften und die „Rathaus-Galerie“, das renovierte frühere „City-Center“, mit rund 60 Läden saugten derzeit der Kettwiger Straße die Kunden ab. Davon profitiere derzeit nur die Limbecker Straße als „Frischluft-Flaniermeile“, so dass dort die Mieten wieder anzögen.
„Das bisher gewohnte hohe Mietniveau ist nicht mehr zu erzielen“
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Die Konsequenz: Die Eigentümer der Immobilien an der Kettwiger müssen nach Ansicht der Makler ihre Mieten dringend absenken. „Das bisher gewohnte hohe Mietniveau ist nicht mehr zu erzielen, das müssen die Immobilienbesitzer akzeptieren“, meint der Oberhausener Makler Ulrich Niesing. Mit Investitionen in die alten Läden und niedrigere Mieten könnte man wieder spannende Läden anlocken. „Bei uns in Oberhausen dauerte es leider zehn Jahre, ehe diese Erkenntnis bei den Eigentümern in der Oberhausener Innenstadt nach dem Bau des Centro ankam.“ Heute seien dort wieder attraktive Geschäfte, davor bestimmten aber Leerstände und Billigketten die Szene.
City-Manager und günstige Mieten: Die Kettwiger hätte dann gute Chancen für individuellen Spezialeinzelhandel. „Es gibt neue Konzepte mit Strahlkraft“, sagt Sälzer. Und verweist auf die Mailänder Filiale des US-Modeladens Abercrombie & Fitch: „Dort stehen die Leute eine Stunde an, um reinzukommen.“