Essen.
Seit gut drei Jahren führt der frühere Deutschbanker Thomas A. Lange die stark in Essen und im Ruhrgebiet verwurzelte National-Bank. Im Unterschied zu seinem langjährigen Vorgänger Henner Puppel hat sich Lange bisher öffentlich ins Stadtgeschehen wenig eingeschaltet.
Dabei hat der promovierte Jurist einiges zu sagen - und sich zu vielen Dingen eine klare Meinung gebildet. Wenn man mit ihm ins Plaudern kommt, merkt man dem 47-Jährigen schnell die Lust an, direkt und deutlich zu formulieren, selbst wenn dies provozierend wirken und für Aufregung sorgen sollte. Vorsichtige Zurückhaltung, sonst eine typische Eigenschaft von Spitzenvertretern der Bankenwelt, ist seine Sache nicht.
Der Sparkurs der Stadt? „Wir werden alle mit Einschränkung der Lebensqualität rechnen müssen. Aber der Kurs ist alternativlos. Da wird im letzten Moment die Reißleine gezogen. Respekt.“
Wenn aber ganze Kultursparten geschlossen werden müssen? „Wir sind im Ruhrgebiet völlig überdimensioniert, haben Duplizitäten im Kulturbereich. Wenn wir in der Region zwei, drei Spielstätten weniger haben, dann verringert das nicht die Qualität. Wir benötigen viel mehr Kooperationen über die Stadtgrenzen hinweg.“ Kulturleute sagen aber doch, dies würde gar nicht so viel Ersparnis bringen? „Man sollte die Frösche nicht fragen, wenn man den Teich trocken legen will.“
Was hält er von einem neuen Stadion für RWE? „Es gibt vordringlichere Aufgaben. Die Qualität des Teams ändert sich nicht, wenn man ihm ein neues Gebäude baut. Das sieht man bei der Hertha in Berlin.“ Lange muss das wissen - beim diesjährigen Absteiger war er Mitglied im Wirtschaftsrat.
„Der Bau des Einkaufszentrums war ein Fehler“
Sorgen bereitet dem früheren Vorstandsassistenten der Deutschen Bank mit Einsätzen von Rostock bis Singapur die Lage der Essener Innenstadt. „Der Bau des Einkaufszentrums war ein Fehler. Das spüren die Läden an der Kettwiger in ihrer Kasse. Dort gibt es immer mehr Leerstände. Auch die Zukunft von Thalia im Baedeker-Haus ist unsicher, die von Peek & Cloppenburg in der Nähe auch nicht in Stein gemeißelt.“ Lockt das Einkaufszentrum nicht viele neue Leute nach Essen? „Die verspüren doch kaum Lust, durch Essens Innenstadt zu wandeln, weil die Aufenthaltsqualität zu gering ist. Die Stadt muss hier mehr tun.“
Trotz der warnenden Worte hält Lange Essen insgesamt für eine ausgesprochen lebenswerte Stadt, die auch für Investoren, speziell für die Finanzbranche, hochattraktiv sei. Der Kulturhauptstadt-Titel sorge bei Außenstehenden für einen positiven Imagewandel, das spüre er in Gesprächen mit anderen Managern. „Außerhalb des Ruhrgebiets glauben ja viele immer noch, wir liefen hier mit schwarzen Ringen unter den Augen herum.“
Wirtschaftlich kommt das Ruhrgebiet nach Langes Beobachtung schneller aus der Krise als andere - dank Strukturwandel und überdurchschnittlich guter Handelsverbindungen zum wachstumsstarken China. Der Mittelstand suche wieder neue Finanzierungen für den beginnenden Aufschwung, habe mehr Fragen als sonst. Deshalb organisiert die National-Bank-Spitze derzeit eine Serie von Mittelstands-Kongressen im Ruhrgebiet. Und freut sich über ihren Geschäftsverlauf: Nach 2009, dem besten Jahr in der 90-jährigen Bankgeschichte, sei auch das 1. Quartal 2010 blendend gelaufen, meint Lange.