Essen. .
Die Leidenszeit für rund 100 000 Heuschnupfen-Geplagte im Stadtgebiet ist da. Nach dem langen und kalten Winter explodiert nun die Natur. Und anstatt sich über Sonne und laue Temperaturen zu freuen, kämpfen viele Allergiker nun mit Kribbeln in der Nase und Tränen in den Augen.
„Die Praxen sind voll“, berichtet Dr. Ralph Köhn, Sprecher der niedergelassenen Ärzte in Essen. „Selten sind so viele Menschen zu beobachten, die entweder neu erkranken oder mit verstärkten Beschwerden zu kämpfen haben.“
Und Engelbert Kölker, Sprecher der Kinder- und Jugendärzte in Essen, stellt fest: „Vor rund drei Wochen ging’s los, dass zunehmend Kinder mit Erkältungssymptomen die Wartezimmer füllen, deren Ursache aber allergisch bedingt ist.“ Tatsächlich lässt sich der Heuschnupfen in seiner Frühform kaum von einer normalen Erkältung unterscheiden: Die Nase läuft, die Augen tränen oder jucken und Niesattacken häufen sich. „Typisch sind jedoch mitunter Hustenanfälle und Luftnot, die vor allem nachts und in den frühen Morgenstunden auftreten“, so Köhn.
Frühzeitige Behandlung
„Viele Menschen verharmlosen diese ersten Symptome“, so Köhn weiter. „Doch auch wenn zunächst nur Augen und Nase betroffen sind, so zeigt es doch eine Überempfindlichkeit des gesamten Körpers.“ Und Dr. Rainer Kundt, Leiter des Gesundheitsamtes, warnt: „Es besteht immer die Gefahr des Etagenwechsels. Das bedeutet, dass sich die Allergie auf die unteren Atemweg ausweitet und schließlich zu asthmatischen Beschwerden führt.“ Daher sei es wichtig, zum Arzt zu gehen und nach entsprechender Diagnose eine Therapie einzuleiten.
Denn Heuschnupfen - von Medizinern auch Pollinosis genannt - ist eine ernstzunehmende Erkrankung, die weder etwas mit Heu noch mit einer Erkältung zu tun hat. Ihre Ursache liegt in einer angeborenen Überempfindlichkeit gegen bestimmte Blütenpollen. Diese enthalten Eiweißstoffe, die bei empfindlichen Menschen als Allergene wirken und irgendwann eine immunologische Abwehrreaktion des Körpers hervorrufen.
„In Städten ist ihre Wirkung so stark, weil sie sich mit den Schadstoffen verbinden“
Die derzeitigen Übeltäter sind die Pollen der Frühblüher Hasel, Birke und Erle. „Insbesondere die Birkenpollen sind so angreifend, weil sie mit nur 15 Mikrometern besonders klein und leicht sind“, so Köhn. „Und gerade in Städten ist ihre Wirkung so stark, weil sie sich mit den Schadstoffen verbinden.“ Und wenn man bedenke, so Köhn weiter, dass ein einziger kleiner Haselnussstrauch etwa 600 Millionen Pollen verbreite, so könne man sich vorstellen, was derzeit in der Luft los sei.
Um den Heuschnupfen in den Griff zu bekommen, wäre es natürlich am besten, die auslösenden Allergene zu vermeiden. „Doch nicht jeder kann auf eine Nordseeinsel flüchten“, meint Kundt, rät Betroffenen jedoch zu Spaziergängen um die Saline im Grugapark. „Das hat fast dengleichen Effekt.“
In der medizinischen Therapie kommen Antiallergika zur Symptombehandlung zum Einsatz. Vor Cortisonpräparaten schrecken viele Patienten zurück, obwohl, meint wenigstens Köhn, die gefürchteten Nebenwirkungen nicht mehr auftreten würden. Eine weitere Möglichkeit ist die Hyposensibilisierung. Dabei erhält der Körper über drei Jahre geringe Mengen der Allergene und soll sich so seine Überreaktion abgewöhnen. „Diese Therapie beginnt man jedoch erst im Herbst“, sagt Köhn.
Heuschnupfen-Geplagte können zudem durch einige Maßnahmen versuchen, ihre Beschwerden zu lindern: So sollten sie nachts bei geschlossenen Fenstern schlafen, vor dem Zubettgehen duschen und vor allem die Haare waschen. Straßenkleidung sollte nicht im Schlafzimmer aufbewahrt werden.