Essen. .
Richard Reynolds, Protagonist der weltweiten Guerilla-Gärtner-Bewegung ist zu Besuch in Essen – und legt nur fünf Minuten nach seiner Ankunft los. „Ich habe keine Zeit zu verlieren, hier gibt es viel zu tun“, konstatiert er den Zustand des öffentlichen Begleitgrüns in der Kulturhauptstadt.
Etwas verdattert schauen die Passanten dem Geschehen am Straßenrand zu. Von Kameras umringt krabbelt der Engländer Richard Reynolds am Handelshof in einem städtischen Beet herum und pflanzt Primeln, Hornveilchen und Kohlrabi. Um eine Erlaubnis hat der selbst ernannte Guerilla-Gärtner wohlgemerkt nicht gefragt.
„Das ist gute Erde“, sagt Richard Reynolds und lockert den Boden mit bloßen Händen auf. „Ich habe keine Zeit zu verlieren, hier gibt es viel zu tun“, konstatiert er den Zustand des öffentlichen Begleitgrüns. Angemerkt sei, der 32-Jährige ist zu diesem Zeitpunkt gerade einmal fünf Minuten in der Kulturhauptstadt. Auf Einladung der „Gesellschaft zur Förderung der Gartenkultur, Zweig NRW“ präsentiert er in der Buchhandlung Proust sein Werk „Guerilla Gardening“.
Gegen urbane Tristesse
„Es hungert im Ruhrgebiet nach solchen Aktionen, denn die Leute finden nicht zusammen“, sagt Dorothée Waechter von der NRW-Sektion der „Gesellschaft zur Förderung der Gartenkultur“. Die Gesellschaft hat den Engländer nach Essen geholt, der direkt von der „lit.cologne“ anreist. „Das ist reines Gärtnern, aber auch politische Aktion“, weiß Waechter. Vorsorglich habe man auch „Grün & Gruga“ Bescheid gesagt. Aufgetaucht ist jedoch niemand. Ein Fernsehteam hatte Verantwortliche des städtischen Grün-Departments eingeladen. Dort verwies man auf den Begrünungsplan für Ruhr2010. Viele Zuhörer, auch die Älteren, hatten dafür nur Spott übrig.
Der Hintergrund ist ein globales Problem, das auch die Stadt Essen betrifft. Immer mehr städtische Grünflächen fristen inmitten urbaner Tristesse ein kümmerliches Dasein. Auch die Zukunft wird für die Beete, Baumscheiden und anderen öffentlichen Pflanzkübel nicht rosiger: Im Sparpaket der Stadt sind auch Einschnitte bei der öffentlichen Bepflanzung vorgesehen.
Patenschaften bei „Grün & Gruga“
Patenschaften kann man bei „Grün & Gruga“ seit längerem beantragen. 1000 Paten – Bürger und Unternehmen – kümmern sich bereits ehrenamtlich um die kleinen, grünen Inseln im gesamten Stadtgebiet. In Zeiten knapper Kassen ist bürgerliches Engagement gefragter denn je.
Guerilla-Gärtner Reynolds geht jedoch noch weiter. Er hält es nicht für nötig, das Einverständnis bei der Verwaltung einzuholen. 2004 startete der Londoner direkt vor der Tür mit seiner Mischung aus Gärtnern und politisch angehauchter Performance. Vor dem Hochhaus im Bezirk „Elephant and Castle“, in dem er wohnt, begann er das eigentlich ilegale Verschönern öffentlichen Raums. Bereits als Schüler entwickelte er auf dem Internat seinen „grünen Daumen“. Einmal wurde er deswegen fast verhaftet. „Es lag aber nicht an der Aktion an sich, sondern an der zu großen Aufmerksamkeit durch ein Fernsehteam, das mich begleitete“, erinnert er sich. Die Polizisten seien nervös geworden.
Winzige Szene in Essen
Einige lokale Guerilleros sind zur Vorstellung seines Buches gekommen. „Wir wollen lieber anonym bleiben“ ist ihr Tenor. Ein Endzwanziger zeigt dem Engländer seine neueste Entwicklung: eine Saat-Bombe aus Katzensand. Auch Samen bekommt Reynolds von einer Frau geschenkt. Übrig geblieben ist davon nichts. Ein Fleck Essener Erde darf sich bald über „Nachwuchs“ freuen.