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In den Kliniken in Essen steigen Durck und Stress für Pfleger . Immer mehr Patienten, immer kürzeren Liegezeiten bei sinkendem Personalschlüssel - in wohl allen Kliniken kennt das Pflegepersonal den zunehmenden Arbeitsdruck.

„Wenn fünf Leute gleichzeitig zur Toilette müssen, so ist es für einen oft zu spät“, umschreibt Krankenschwester Melanie Reichel* den Alltagsstress auf ihrer Station. Immer mehr Patienten, immer kürzeren Liegezeiten bei sinkendem Personalschlüssel - in wohl allen Kliniken kennt das Pflegepersonal den zunehmenden Arbeitsdruck. Leichtfertig abtun kann dies kaum eine Krankenschwester, der Leidensdruck ist groß, meint Sven Musolff, stellv. Personalratschef des Uniklinkums: „Pflegende haben ein hohes Anspruchsdenken an sich, das sie oft nicht erfüllen können.“

Auf der Station von Melanie Reichel - der „Unfallchirurgie und Orthopädie“ - liegen viele Schwerstkranke. „Die Wenigsten können sich selbst versorgen, sind wirklich nicht gut zurecht“, berichtet Reichel. „Als Krankenschwester ist man meist der Puffer der Station, bekommt den Unmut der Patienten zu spüren.“

„Puffer der Station“

Kollegin Silke Maier* versorgt auf ihrer Station meist unheilbar an Krebs erkrankte Patienten. „Meine Aus- und Weiterbildung ist ausgezeichnet, doch fehlen meist Ruhe und Zeit, das Erlernte anzuwenden und sich intensiv um die Patienten zu kümmern“, sagte Maier. Seit 1994 arbeitet sie als Krankenschwester und sieht einen deutlichen Wandel ihres Arbeitsalltags: „Die Patienten werden zunehmend älter, sind oft multimorbide. Armut und gesellschaftliche Vereinsamung sind oft spürbar.“ Es kämen gar Patienten ohne Kleidung in die Klinik oder hätten kaum Besuch.

„Großes Pflegeproblem“

So sei die Arbeitsbelastung des Pflegepersonal stetig gestiegen. „Heutzutage nimmt die Dokumentation für das Qualitätsmanagement viel Zeit in Anspruch“, gibt Melanie Reichel an. „Und auch der Aufwand für die körperliche Pflege ist höher geworden, da heute mehr Patienten viel Hilfe brauchen“, ergänzt Silke Maier. Und am Ende des Tages haben die beiden Krankenschwestern oft das Gefühl, weit hinter dem zurückgeblieben zu sein, was sie können.

Sven Musolff vom Personalrat spricht von einem „größeren Pflegeproblem“. In den vergangenen Jahren seien viele Stationen zusammengelegt worden, was die Anforderungen ans Pflegepersonal erhöht habe. „Immerhin hat dies auch die Bundesregierung erkannt. Allein am Uniklinikum werden daher im Rahmen des Pflegeförderprogramms für die nächsten drei Jahre 28 zusätzliche Stellen geschaffen.“

Befragt man Patienten nach ihrer Zufriedenheit mit der Pflegesituation wie jüngst die AOK Rheinland, so zeigen die Resultate, dass die Essener Krankenhäuser unterschiedlich erfolgreich mit dem Wandel im Klinikalltag umgehen.

Während mit dem Alfried Krupp Krankenhaus Rüttenscheid, dem Evangelischen Krankenhaus Werden und dem Katholischen Krankenhaus St. Josef (Kliniken Süd) drei Kliniken mit der Gesamtnote „Gut“ abschnitten, landete das Philippusstift weit unter dem Durchschnitt. Das Uniklinikum Essen - mit 1300 Betten und 44 000 stationären sowie rund 154 000 ambulanten Patienten jährlich Essens größtes Krankenhaus - liegt im Mittelfeld. (*Namen geändert)

Klinik-Chefs räumen Mängel ein

Die Leitungen der Essener Krankenhäuser wissen genau: Von der Zufriedenheit der Patienten mit der Versorgung durch Ärzte und Pflegepersonal hängt der Erfolg des Hauses ab. Deshalb beleuchten die Klinikleitungen die aktuelle Situation kritisch und haben Verbesserungen im Blick.

Das Universitätsklinikum Essen schloss in der AOK-Umfrage mit einem Gesamtergebnis von 76,1 Prozent bei einem Durchschnittswert von 76,5 Prozent aller NRW-Kliniken ab. „Natürlich leidet die Zufriedenheit der Patienten durch die hohe Auslastung und dem Ziel einer schnellen Behandlung“, räumt der Ärztliche Direktor des Uniklinikums, Gerald Holtmann, ein. Insgesamt beurteilt er die Pflegesituation jedoch als „hochprofessionell und patientenorientiert“.

Für die Zufriedenheit der Patienten sei vor allem die Kommunikation wichtig - sowohl mit den Ärzten wie auch mit dem Pflegepersonal. „Daher versuchen wir beispielsweise das Pflegepersonal durch Servicekräfte von bürokratischen oder hauswirtschaftlichen Aufgaben zu entlasten“, sagte Holtmann.

Diese Strategie zur Entlastung des Pflegepersonals verfolgen auch die Kliniken Essen Süd und die Kliniken Essen Nord-West. „Im Pilotprojekt versuchen wir zudem medizinische und pflegerische Anordnungen bei der Visite direkt elektronisch zu erfassen“, so Holtmann. Auch dies diene der Entlastung der Mitarbeiter und der Zeitersparnis.

An den Kliniken Essen Nord-West sieht man insbesondere das unterdurchschnittliche Abschneiden des Philippusstiftes mit einem Gesamtergebnis von nur 66,5 Prozent als Ansporn für Verbesserungen. „Natürlich stehen wir mit unseren Kliniken im nördlichen Stadtgebiet auch vor besonderen Problemen“, erklärte Geschäftsführer Manfred Sunderhaus. Das gedeckelte Budget sowie die Bausubstanz - die ältesten Gebäude stammen aus dem Jahr 1880 - seien Fakten, über die man nicht hinweg gehen könne. So verfügen im Philippusstift nur 50 Prozent und im Marienhospital etwa 40 Prozent der Zimmer über eine eigene Nasszelle.

„Die Zimmersituation ist für die Patienten aber weniger wichtig, als die ärztliche und pflegerische Versorgung“, weiß Sunderhaus. Durch spezielles Kommunikationstraining werden die pflegenden Mitarbeiter im Umgang mit Patienten und Angehörigen geschult. „Unsere Mitarbeiter sollen Probleme professionell lösen können“, gibt Sunderhaus als Ziel an. Mit mehr Auswahlmöglichkeiten beim Essen, Flyern, die das Stationsteam vorstellen, komfortableren Betten sowie Dolmetschern versuchen die Kliniken auf die Bedürfnisse ihrer Patienten einzugehen. Für muslimische Patienten gibt es sogar Gebetsräume.

Die Kliniken Essen Süd schlossen in der AOK-Umfrage mit ihren beiden Häusern im Gesamtergebnis mit 83,4 bzw. 81,5 Prozent überdurchschnittlich gut ab. „Diese guten Werte sind sicher im Miteinander von ärztlichen und pflegerischen Personal begründet“, sagte Pflegedirektor Christof Haucke. „Die Klinikleitung ist bemüht, Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Mitarbeitern viel Raum bietet, sich um die Patienten zu kümmern.“

Die Kliniken Essen Süd sind mit 424 Betten ein vergleichsweise kleines Krankenhaus, zwei Drittel der jährlich rund 7300 Patienten kommen aus Essen und werden von 289 Pflegekräften betreut. Als besonderen Wert des Hauses sieht Haucke, dass es auf manchen Stationen Ordensschwestern ihren Dienst tun: „Sie strahlen eine besondere Ruhe und Freundlichkeit aus, die besonders ältere Patienten sehr schätzen.“