Essen. .
So etwas gab es noch nicht: Die Evangelische Altstadtgemeinde hat ihre Kreuzeskirche an einen Investor verkauft . Die Gemeinde bleibt Mieter, die denkmalgeschützte Kirche kann nun saniert werden.
Was bekommt man nicht alles für 1 Euro! Deutschland-Fähnchen, Flip-Flops, ein paar Socken... - es gibt ja Ladenlokale, die sind vollgestopft mit derlei Krimskrams und leben offenbar gut davon.
Die Evangelische Altstadt-Gemeinde hat jetzt ein Gotteshaus für 1 Euro verkauft. Ja, für diesen Spottpreis war die Kreuzeskirche in der nördlichen Innenstadt tatsächlich zu haben. Hat da eine Gemeinde etwa ihre Kirche verramscht? Pfarrer Steffen Hunder winkt ab und lächelt gnädig: „Es ist ein symbolischer Preis“. Seine Gemeinde wird weiter ihre Gottesdienste in der Kreuzeskirche feiern. Nur ist sie nicht mehr Eigentümer, sondern Mieter. Für die evangelische Kirche in Essen und für die gesamte Evangelische Landeskirche im Rheinland ist es ein bislang beispielloser Deal.
Dass Kirchengemeinden ihre Gotteshäuser aufgeben, dass Schwesternschulen daraus werden, Lagerhäuser oder gar Restaurants - alles schon dagewesen in Zeiten des demografischen Wandels. In der nördlichen Innenstadt aber liegen die Dinge anders.
Investor hat Großes vor
Investor Klaus Wolff, der in Essen schon die Philharmonie gebaut hat und auch das neue Museum Folkwang, hat - wie berichtet - Großes vor mit dem Kreuzeskirchviertel. Rund um das stadtbildprägende Gotteshaus will der Projektentwickler ein attraktives Quartier schaffen, mit Büros, Wohnungen und Geschäften - und mit der Kreuzeskirche als geistiger und kultureller Mittelpunkt.
Das schäbige Parkhaus an der Rottstraße will Wolff dafür abreißen. Der Rat der Stadt hat dem Verkauf bereits zugestimmt. Die Verträge sollen in diesen Tagen unterzeichnet werden. Sobald die Tinte trocken ist, könne alles ganz schnell gehen, heißt es bei der Baubehörde im Deutschlandhaus, wo sie nur auf den Antrag für eine Abrissgenehmigung warten. Auch die Stadt hat schließlich großes Interesse daran, dass es in der nördlichen Innenstadt endlich aufwärts geht.
Für Klaus Wolff und die Evangelische Altstadtgemeinde ist es ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Für 500.000 Euro hat sie ihr Gemeindehaus an den Investor abgetreten; der Bau aus dem Jahr 1960 steht ebenfalls vor dem Abriss. Ihr Gotteshaus aber bleibt der Gemeinde im wahrsten Sinne des Wortes erhalten.
Denn die in den Jahren 1894 bis 1896 von August Orth errichtete Kreuzeskirche ist stark sanierungsbedürftig. Auf drei bis vier Millionen Euro schätzt Pfarrer Hunder den Investitionsbedarf - viel zu viel Geld, als dass die kleine Gemeinde eine solche Summe aus eigener Kraft stemmen könnte. Ein Gutachten legte schon 1991 den Abriss nahe. Nur einem engagierten Kirchbauverein, privaten Sponsoren und der öffentlichen Hand sei es zu verdanken, dass die Kreuzeskirche erhalten werden konnte. Mitte der 90er Jahre renovierte der „Essener Konsens“ das Kircheninnere; es war eines der ersten Projekte der inzwischen bewährten Zusammenarbeit zwischen Handwerk und Agentur für Arbeit, die damals noch Arbeitsamt hieß. Doch an den Kirchenwänden bröckelt längst wieder der Putz, die Mauern sind feucht, und das Gerüst an der Kirchenfassade führt jedermann vor Augen, dass es noch genug zu tun gibt.
Ohnehin hatte August Orth das Backsteingebäude nicht für die Ewigkeit gebaut, sondern allenfalls für einen Zeitraum von 80 Jahren. Die hat das Baudenkmal längst hinter sich. Nun beschert Klaus Wolff der Kreuzeskirche viele weitere Jahre, als Investor kommt er für die Renovierung auf. Der Vertrag, den die Gemeinde mit dem Projektentwickler geschlossen hat, schreibt fest, das die Kirche trotz des Eigentümerwechsels ein Gotteshaus bleibt. Gottesdienste, aber auch Konzerte, Lesungen und Ausstellungen sollen stattfinden, so wie heute schon.
„Für die Altstadtgemeinde ändert sich also im Prinzip nichts“, sagt Hunder. Sie hat ihre Kirche für die nächsten 15 Jahre gemietet und zahlt dafür pro Monat 1000 Euro. Der Mietvertrag verlängert sich nach Ablauf jeweils um weitere fünf Jahre. Die Landeskirche hat dem ihren Segen gegeben.
„Manchmal“, sagt Pfarrer Hunder und strahlt „geschehen doch noch Wunder“.