Essen.

Die Besucher haben mit Elisabeth geweint, dem Phantom der Oper mitgefiebert und zuletzt mit Buddy gerockt. Ab Juli ist Schluss. Wie die Produktionsfirma Stage Entertainment mitteilte, sind keine weiteren Musicals im Essener Colosseum geplant. Der Grund: zu wenige Besucher.

Es ist erst ein paar Wochen her, als sich Essen Deutschland und Europa als Kulturhauptstadt von seiner Schokoladenseite zeigte. Da will es nicht so recht ins Bild passen, wenn eine renommierte Produktionsfirma wie Stage Entertainment ihren Rückzug aus dem Colosseum ankündigt. Bereits im Juli soll Schluss sein. Das Haus soll aller Voraussicht nach als Event- und Veranstaltungsstätte genutzt werden.

Musical-Entwicklung insgesamt positiv

„Heute ist ein ganz, ganz schwarzer Tag.“ Johannes Mock-O’Hara, Geschäftsführer von Stage Entertainment Deutschland, hat soeben den rund 100 Mitarbeitern im Colosseum eröffnen müssen, dass dem Musical „Buddy“ keine neue Produktion mehr folgen wird: Stage stellt den Musicalbetrieb wegen erwiesener Erfolglosigkeit ein. Ausgerechnet im Colosseum, in dem 2000 die Erfolgsgeschichte von Stage Deutschland begann. Ausgerechnet im Colosseum, der zum Kulturtempel umgebauten Kathedrale der Industrie-Architektur von 1898. Ausgerechnet in dem Gebäude, das Stage-Eigentümer Joop van den Ende immer das liebste seiner zehn Häuser in Deutschland war.

„Hier steckt so viel Herzblut drin“, sagt der Stage-Chef. „Aber es ist ein absolut notwendiger Schritt. Als Privattheater erhalten wir keinerlei Subventionen, sondern sind ausschließlich auf die Einnahmen durch unsere Besucher angewiesen. Wir haben es in den vergangenen Jahren leider nicht geschafft, den Spielbetrieb in Essen profitabel zu gestalten.“

Axel Biermann, Geschäftsführer der Ruhr Tourismus GmbH, bedauert den Rückzug der Produktionsfirma. „Die heute bekannt gewordene Entscheidung, den Ensuite-Betrieb im Colosseum Theater einzustellen, wirkt sich negativ auf unsere Anstrengungen aus, die Metropole Ruhr als Reiseziel im Kurzreisensegment zu etablieren“, glaubt Biermann. So seien Musical-Reisen ein wichtiger Baustein im Städtereisenbereich: „Theater wie das Aalto locken eher die Kulturreisenden, aber eben nicht die Massen, für die ein Musicalbesuch zum beliebten Programmpunkt bei der eigenen Urlaubsgestaltung gehört.“

Auch Ruhr 2010-Sprecher Marc Oliver Hänig bedauert den Weggang der Musicals als „Verlust für die Metropole Ruhr“. Und Kulturdezernent Andreas Bomheuer findet die Entscheidung von Stage Entertainment bitter: „Das Genre Musical gehört in eine Großstadt. Der Verlust der Produktion und des Standorts ist schmerzlich.“

Millionen in den Sand gesetzt

„Elisabeth“ war das einzige Musical, das in Essen schwarze Zahlen schrieb - alle anderen Produktionen floppten.Wegen hoher Produktions- und Betriebskosten bei fehlender Zuschauerauslastung haben die Musical-Macher mit den Nachfolge-Stücken Millionen in den Sand gesetzt. „Viele, viele Millionen“, sagt Mock-O’Hara. „Das war nicht länger vertretbar.“ Ob die Weltpremiere „Ich will Spaß!“, die Europa-Premiere „Aida“ oder „Mamma Mia!“: „Wir haben es nicht geschafft, schwarze Zahlen zu schreiben.“

Einen Grund für das Scheitern sieht Mock-O´Hara auch in der geographischen Lage. Anders als das Metronom-Theater in Oberhausen - mit einer guten Autobahnanbindung und Eingliederung im Centro-Komplex - wird das Colosseum von außen nicht gut wahrgenommen. Der Einzugsradius der Besucher beschränkt sich auf etwa 20 bis 30 Kilometer, in Oberhausen sind es 50. Rund drei Millionen Besucher sahen in den vergangenen neun Jahren die Stage-Produktionen in Essen - etwa eine Million zu wenig. Der Verlust bewegt sich im zweistelligen Millionenbereich.

Im Jahr 2000 hatte das Unternehmen mit Sitz in Hamburg das Colosseum von der Stella AG übernommen und nach einer aufwändigen Umbauphase mit „Elisabeth“ wiedereröffnet. Zahlreiche weitere Produktionen wie „AIDA“ oder „Mamma Mia“ folgten. Erst im vergangenen Oktober hatte „Buddy - Das Buddy Holly Musical“ seine umjubelte Premiere gefeiert.

Essen scheint beim Besucherrückgang eine negative Ausnahme zu bilden. „Insgesamt entwickelt sich das Genre Musical aber trotz des rauen wirtschaftlichen Klimas positiv“, sagte O’Hara. Stage wird das denkmalgeschützte Gebäude weiter im eigenen Besitz behalten und als Veranstaltungsort entwickeln. Doch Musicals sind aus.

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